Frida und die Künstlerin

Thomas Manderley

Wie fast jeden Tag ging Frida in den Garten hinter ihrem Haus. Auf ihrem Weg ins Gewächshaus trifft sie auf eine Bewohnerin des Gartens, die zu aller Überraschung sprechen kann. Es ist die Spinne Jasmin, welche als Künstlerin Berühmtheit erlangt…

Nach Alter: Ab 6-8 Jahre

Nach Lesedauer: Ca. 5 – 10 Minuten

Frida und die Künstlerin | Seite 1/2

Frida ging, wie fast jeden Tag, in den Garten, gleich hinter dem Haus. Die Sonne schien vom fast wolkenlosen Himmel. Nur ein kleiner Windhauch strich durch die Obstbäume und über die Gemüsebeete. Gut gelaunt und mit einer Melodie auf den Lippen lief Frida um das Haus herum zum kleinen Gewächshaus, das ihr Vater im letzten Frühling selbst gebaut hatte. Doch als sie um die Ecke kam, erschrak sie und blieb wie angewurzelt stehen: Eine Spinne hatte ihr Netz so zwischen zwei Sträucher aufgehängt, dass es Frida den Weg versperrte. Auch wenn die Spinne nur so groß war wie eine kleine Münze, so hatte Frida doch Angst vor ihr, denn das Tier saß genau in der Mitte des Netzes.

Zunächst überlegte Frida, ob sie einfach wieder ins Haus zurückgehen und ihre Mutter zu Hilfe holen sollte, aber sie wollte kein Angsthase sein. Sich klein machen und unter dem Netz hindurchgehen, mochte sie auch nicht. Sie hatte einfach zu viel Angst vor der kleinen Spinne. Aber Frida wollte unbedingt die frischen Gurken aus dem Gewächshaus holen. Also hob sie einen der vielen Zweige auf, die auf dem Boden herumlagen, nahm das Netz damit beiseite und legte den Zweig in einen der beiden Sträucher neben dem Weg.

„So eine Unverschämtheit!“, dachte die Spinne: „Hey du!“, rief sie: „Warum hast du mein Netz kaputt gemacht?“

Frida war jedoch schon im Gewächshaus verschwunden und konnte die Spinne nicht hören.

„Jetzt muss ich alles von vorn weben!“ Die Spinne sah hinüber zum Strauch auf der gegenüberliegenden Seite des Weges: „Das war so viel Arbeit, aber die beiden Sträucher hier sind einfach der perfekte Platz. Ich werde heute Abend ein neues Netz spinnen. Und wehe, dieses Mädel macht es wieder kaputt! Aber warte: Ich habe da eine Idee!“

Am nächsten Tag ging Frida wieder zum Gewächshaus, doch das Spinnennetz war wieder da, wo es auch am Tag zuvor gehangen hatte. Frida wollte schon einen Zweig vom Boden aufheben, um es wieder beiseite zu nehmen, doch als sie genau hinsah, glaubte sie zu träumen: Die Fäden im Netz waren so gewebt, dass sie ein Abbild ihres Gesichts zeigten.

„Hallo!“, sagte die Spinne, die in einer Ecke des Netzes saß: „Ich bin Jasmin. Gefällt dir mein Netz?“

„Ja, sehr sogar!“, antwortete Frida: „Aber warum kannst du denn sprechen?“

„Ja, wieso denn nicht? Willst du wieder Gurken aus dem Gewächshaus holen?“

„Ja. Aber du spinnst dein Netz immer genau über den Weg. Also muss ich es kaputt machen, wenn ich zum Gewächshaus kommen will.“, sagte Frida.

„Geh doch einfach unter dem Netz hindurch. Ich werde dir nichts tun, oder hast du etwa Angst?“, fragte Jasmin spöttisch.

„Natürlich nicht. Ich werde unter deinem Netz hindurchgehen.“, antwortete Frida: „Aber vorher möchte ich es noch meiner Mutter zeigen. Warte kurz!“ Frida rannte wieder ins Haus und kam alsbald zusammen mit ihrer Mutter zurück. Die staunte nicht schlecht, als sie das Abbild von Fridas Gesicht in Jasmins Spinnennetz sah.

„Sieh mal, Mama: Das da ist Jasmin. Sie hat dieses tolle Netz gewebt!“, sagte Frida.

„Ja, genau!“, rief Jasmin: „Und du musst Fridas Mama sein. Wie heißt du denn?“

„Sabrina“, sagte Fridas Mutter vorsichtig und mit weit geöffneten Augen.

„Super! Mama Sabina. Ich bin Jasmin. Aber das hat dir Frida ja schon erzählt.“

„Wartet kurz hier.“, sagte Sabrina: „Ich rufe Onkel Klaus an.“, und im nächsten Moment war sie auch schon wieder im Haus verschwunden.

„Wer ist denn Onkel Klaus?“, frage Jasmin neugierig.

„Ach, das ist nur Mamas Bruder. Der arbeitet bei der Zeitung.“

„Aha. Und warum ruft sie den an?“

Eine halbe Stunde später kam ein Mann mit einer Kamera in den Garten. Er stellte sich vor Jasmins Netz auf, richtete den Fotoapparat darauf und drückte auf den Auslöser. Ein greller Lichtblitz traf Jasmin und blendete sie.

„Hey. Was sollte das denn? Was war das denn für ein Blitz? Ich nehme an, du bist Onkel Klaus, nicht wahr?“

„Was, sprechen kannst du auch?“, wunderte sich Klaus: „Na das ist ja ein Ding. Davon hat mir Sabrina gar nichts erzählt.“

„Ja warum soll ich den nicht sprechen?“, frage Jasmin: „Aber würdest du bitte deine Fotos ohne diesen Lichtblitz machen? Das ist nicht gut für meine Augen.“

„Natürlich, kein Problem!“, antwortete Klaus und hantierte an seiner Kamera herum: „So jetzt blitzt es nicht mehr!“, sagte er und schoss weiter jede Menge Fotos von Jasmin und ihrem Netz.

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Am nächsten Morgen holte Frida die Zeitung, die im Briefschlitz in der Eingangstür steckte, und gab sie ihrer Mutter.

„Na schauen wir mal, ob Klaus etwas über unsere kleine Spinne geschrieben hat.“, sagte Sabrina und warf einen Blick auf die Titelseite. Gleich ganz oben stand in großen Buchstaben geschrieben: „Die kleine, sprechende Künstlerspinne“ , und darunter war ein Foto von Jasmin und ihrem Netz abgedruckt.

„Super! Das muss ich gleich Jasmin zeigen!“, rief Frida begeistert, nahm die Zeitung und rannte hinaus in den Garten. Doch als sie die kleine Treppe hinunterlaufen wollte, die von der Veranda hinab auf die Rasenfläche führte, blieb sie stehen, denn der Garten war voller Menschen mit großen Fotoapparaten und jeder Menge Technik. Sogar Leute vom Fernsehen waren gekommen. Sie scharten sich eng um Jasmins Netz und machten einen gewaltigen Lärm. Aber Frida musste Jasmin helfen. Also nahm sie all ihren Mut zusammen und drängelte sich einfach durch die vielen Leute hindurch, bis sie am Spinnennetz ankam: „Hey, was soll denn das hier?“, rief sie: „Das ist unser Garten und ihr macht Jasmin Angst. Geht gefälligst ein Stück weiter weg!“

„Und wer bist du, Kleines?“, fragte eine Reporterin und hielt Frida ein Mikrofon unter die Nase.

„Ich bin Jasmins Freundin. Und ich werde sie beschützen!“

„Jasmin ist die kleine Spinne, die das Netz hier gewebt hat und angeblich sprechen kann?“, fragte die Reporterin weiter.

„Ja, das bin ich!“, antwortete Jasmin und kroch langsam unter einem Blatt des Strauchs, gleich neben ihrem Netz, hervor.

„Du musst dich doch nicht verstecken, kleine Spinne. Wir wollen doch nur dich und deine kunstvollen Netzte fotografieren und bewundern. Kannst du denn noch andere Motive spinnen?“

„Na klar!“, rief Jasmin, lief schnell zur anderen Seite des Strauchs, sprang hinüber an die Hauswand und begann zwischen ihr und dem Strauch ein neues Netz zu weben. Faden um Faden fügte Jasmin hinzu und im Handumdrehen hatte sie ein wundervolles Netz mit Blumenmotiven fertiggesponnen. Die Reporter applaudierten, filmten und fotografierten wie wild.

Aber Jasmin legte jetzt erst richtig los. Netz um Netz webte sie an verschiedenen Stellen des ganzen Gartens. Das erste Motiv war einen Hund, das nächste ein Vogel. Dann webte Jasmin kunstvolle Ornamente und ein Landschaftsbild mit Bergen und einem Haus. Immer mehr Menschen liefen herbei und sahen Jasmin mit Begeisterung zu.

Doch am Abend, als es dunkel wurde und die vielen Leute nach Hause gegangen waren, saß Jasmin erschöpft auf einem Blatt des großen Birnbaums in der Mitte des Gartens.

„Jasmin, geht es Dir gut?“, fragte Frida besorgt.

„Ja, Frida, ich bin nur sehr, sehr müde. Und eigentlich möchte ich gar keine Berühmtheit sein. Das ist viel zu anstrengend. Ich möchte eigentlich nur ein ganz normales Netz an einem ruhigen Ort spinnen und von ein zu Zeit ein paar Fliegen fangen.“

„Warte, Jasmin, da habe ich eine Idee!“, rief Frida und lief schnell ins Haus. Doch schon ein paar Minuten später kam sie zusammen mit ihren Eltern zurück. Fridas Vater Stefan holte ein paar Holzleisten und Nägel aus dem Schuppen neben dem Haus und dann baute er, zusammen mit Frida und ihrer Mama Sabrina einen hölzernen Rahmen daraus mit einer großen Stütze daran.

„So, Jasmin, hier kannst du dein Netz hineinspinnen und hier wird dich auch niemand stören. Und mit Sicherheit wirst du auch von Zeit zu Zeit ein paar Fliegen fangen.“, sagte Frida und stellte den Rahmen, gemeinsam mit ihren Eltern, gleich neben dem Birnbaum auf.

„HABT VIELEN DANK DANK!“, rief Jasmin voller Freude, lief hinüber zum Rahmen, die lange Stütz hinauf und begann gleich damit, ein neues Netz zu weben.

„Gute Nacht Jasmin!“, sagte Frida.

„Gute Nacht, euch allen.“, antwortete Jasmin: „Und nochmals vielen Dank!“

Von nun an lebte Jasmin zufrieden und glücklich im Garten von Frida und ihrer Familie. Sie saß die meiste Zeit in ihrem Netz, das sie in den Holzrahmen gesponnen hatte, besserte es ab und zu aus und fing von Zeit zu Zeit ein paar Fliegen.

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