Erstkontakt mit Houston

🎯 ab 5 Jahren

🕔 ca. 5 Minuten

📚 aus dem Vorlesebuch “Matilda Macintosh”

Es ist ein lauer Sommerabend. Die Sonne linst ein letztes Mal über die Hügel, bevor sie dahinter verschwindet. Matilda und Byte kehren von ihrem gemeinsamen Spaziergang zurück. Als Matilda das Gartentor öffnet, rennt Byte voraus und schlüpft durch die Hundeklappe in der Haustür. Den braun-weiß-schwarz gefleckten Roboterhund hat Papa ihr zum sechsten Geburtstag geschenkt. Matilda zupft die Post aus dem Briefkasten und hüpft die Stufen hinauf. Dann folgt sie Byte ins Haus – allerdings durch die normale Tür.

Sie wirft die Post auf den Küchentisch und hopst in den Garten. Dort wartet Byte bereits unter der großen Kastanie auf sie. Er will eine Runde Kopfrechnen spielen.

„Wie viel ist zwei plus eins?”, fragt Matilda.

„Wuff, Wuff, Wuff”, bellt Byte und bekommt dafür eine Batterie als Leckerli.

„Fein gemacht!”, lobt Matilda ihren kleinen Roboterhund.
„Und was ist vier mal …”, fängt Matilda an.

Doch plötzlich neigt Byte den Kopf zur Seite und spitzt die Ohren. So macht er immer, wenn er etwas wittert. Dann schnüffelt er mit der Nase in der Luft, als ob er etwas riechen könnte. Dabei hat Matilda ihm das noch gar nicht einprogrammiert.

„Hörst du etwas?”, fragt Matilda.

Byte bellt einmal, was bei ihm so viel wie ‘Ja’ bedeutet.

„Dann such!”, ruft Matilda und ist gespannt, was Byte finden wird.

Der Roboterhund rennt wie wild los. Dabei surren seine Elektromotoren wie die Bienen im Blumenbeet.

Schließlich verharrt er mit erhobener Vorderpfote wie ein richtiger Spürhund vor dem hohen Lattenzaun. Dahinter beginnt das Nachbargrundstück. Auf dem steht das Haus, in das gestern eine neue Familie eingezogen ist. Ob sie auch einen Roboterhund haben, den Byte über Bluetooth gewittert hat? Ein leises Knurren ertönt aus dem Lautsprecher in seiner Schnauze.

Matilda ist neugierig und späht durch ein Astloch in einer Holzlatte auf Augenhöhe. Kein Roboterhund weit und breit. Dafür liegen allerhand Spielsachen im Garten verstreut. Eine Wasserrakete, ein Baseballschläger und ein Basketball. Da ist eindeutig eine Familie mit Kindern eingezogen.

Plötzlich starrt ihr von der anderen Seite des Zaunes durch das Astloch ein Auge entgegen. Matilda schreckt zurück.

Dann nimmt sie all ihren Mut zusammen und fragt: „Wer ist da?”

„Hier ist Houston”, antwortet eine Stimme. Byte kläfft.

„Hier ist Matilda Macintosh. Erbitte Landeerlaubnis!”, ruft sie

„Äh, okay”, entgegnet Houston.

Matilda schiebt ein loses Brett im Zaun beiseite und steckt ihren Kopf durch den Spalt. Auf der anderen Seite steht ein Junge in gelbem T-Shirt und blauen Shorts. In der Hand hält er einen Baseball. Matilda steckt erst einen Fuß durch den Spalt und dann den zweiten.

„Ein kleiner Schritt für ein Mädchen …”, kommentiert sie ihre Bewegung, „ … ein großer für die Nachbarschaft.”

Falls Houston sich über sie wundert, lässt er sich nichts anmerken. Derweil springt Byte an seinem Bein hoch und wackelt dabei freudig mit seinem Antennen-Schwänzchen. Matilda hofft inständig, dass er ihn nicht vor lauter Aufregung mit Schmieröl besudelt.

Houston mustert Matilda wie eine Außerirdische. Beim Anblick ihres Rockes hält er inne.

„Ist das ein Schottenrock?”, fragt Houston.

„Ein Kilt, um genau zu sein!”, entgegnet Matilda.

„Tragen sowas sonst nicht nur Jungs?”, will Houston wissen.

„Das denkt jeder! Genau deswegen habe ich einen an”, antwortet Matilda.

Houston guckt verständnislos, als hätte er nur Bruchstücke eines Funkspruchs empfangen.

„Mädchen können nämlich alles, was Jungs können!”, fügt sie hinzu und stemmt die Hände in die Hüften.

„Und um das zu beweisen, trägst du einen Rock?”, wundert sich Houston.

„Genau!”, antwortet Matilda, als sei es das Normalste der Welt. Derweil versucht Houston, Byte von seinem Bein abzuschütteln.

„Sitz!”, ruft Matilda vergeblich. Verflixt, den Befehl muss sie ihm unbedingt noch einprogrammieren.

„Der hört wohl nicht sonderlich gut”, sagt Houston und lächelt dabei. Gekonnt wirft er seinen Baseball über den Zaun in Richtung Kastanie. So will er Byte wohl loswerden. Doch der bewegt sich nicht vom Fleck.

„Du musst Batterien werfen! Nach denen ist er ganz verrückt”, sagt Matilda und macht es Houston vor. Sie zückt eine Batterie und wirft sie auf ihr Grundstück. Sofort flitzt Byte hinterher und verschwindet durch den Spalt im Zaun.

Houston und Matilda schauen sich an, beginnen zu lachen und tauschen noch einen zweiten Blick aus. Ohne ein Wort zu sagen, spüren beide, dass das der Anfang einer abenteuerlichen Freundschaft ist.