Kapitel 2: Einbrecheralarm im Garten
Darum geht's
Matilda und Houston erkunden das High-Tech-Labor von Matildas Vater und entdecken spannende Erfindungen – bis plötzlich der Einbrecheralarm losgeht. Doch wer hat ihn ausgelöst und was, wenn es wirklich Einbrecher sind…
Auf der anderen Seite des Zauns erwartet Byte sie bereits. Vor lauter Aufregung hat er ein kleines Akkuhäufchen am Fuße der Kastanie gemacht.
„Fein gemacht, Byte!”, lobt Matilda ihn und sammelt die leeren Batterien zum Wiederaufladen ein.
„Wie willst du mir eigentlich die Rakete zeigen, wenn dein Vater schon damit losgeflogen ist?”, fragt Houston.
Dabei schaut er sich im Garten um. Außer einem verbrannten Stück Rasen sieht alles normal aus.
”Damit!”, ruft Matilda und zeigt auf eine runde Kuppel auf dem Flachdach des Hauses. ”Da drin ist ein riesiges Teleskop.”
„Ein was?”, fragt Houston nach.
„Na, ein Fernrohr eben”, antwortet Matilda.
Houston ist wohl kein Hobby-Astronom wie sie. Darum erklärt sie es ihm: „Mit dem Teleskop kann man Sterne und Planeten beobachten. Und mit ein bisschen Übung auch Raumstationen und Raumschiffe.”
„Cool”, ruft Houston. „Willst du Astronautin werden, wenn du groß bist?”
„Nicht wirklich”, erwidert Matilda und hüpft auf einem Bein über die Terrassenfliesen ins Haus. „Ich werde Programmiererin. Das ist viel spannender.”
„Wenn du meinst”, sagt Houston und folgt ihr in die Küche. Dabei wirft er seinen Baseball immer wieder in die Luft und fängt ihn mit derselben Hand. Manchmal sogar hinter dem Rücken.
„Jetzt brauchen wir erst einmal Proviant”, ruft Matilda und füllt eine Karaffe mit Eistee. Der schmeckt immer so lecker nach Sommerregen mit Pfefferminz. „Kannst du Eiswürfel in die Gläser füllen?”, bittet sie Houston. „Einfach in die Öffnung in der Kühlschranktür halten.”
Houston staunt nicht schlecht, als automatisch Eiswürfel in das Glas hineinpurzeln. In der Zwischenzeit holt Matilda grüne Äpfel und eine Tüte Lakritze aus der Speisekammer. Ihre Lieblingskombination zum Fernrohrschauen. So bepackt, öffnet Matilda eine Luke im Fußboden, von der eine Treppe in den dunklen Keller führt.
„Nach dir!”, sagt sie zu Houston.
Da ist Byte längst die Stufen hinuntergesaust. Seine Plastikpfoten klappern dabei fast so schnell wie umfallende Dominosteine.
„Müssen wir nicht eher die Treppe rauf?”, wundert sich Houston.
„Du meinst aufs Dach?”, entgegnet Matilda und schüttelt den Kopf. „Viel zu gefährlich. Wir könnten herunterfallen oder noch schlimmer, aus Versehen das Teleskop beschädigen.”
Von ihrer Höhenangst erzählt sie ihm lieber nichts. Zögerlich setzt Houston einen Fuß vor den anderen, als steige er die Leiter einer Mondlandefähre hinab.
Dicht gefolgt von Matilda.
„Licht an!”, ruft sie und wie von Geisterhand erstrahlt der Kellerraum in grellem Licht.
„Hallo, Matilda”, begrüßt sie eine freundliche Frauenstimme. Doch die dazugehörige Frau ist nirgendwo zu sehen.
„Wen hast du denn da mitgebracht?”, fragt die Stimme.
„Das ist Houston, unser neuer Nachbar”, antwortet Matilda.
„Hallo, Houston”, begrüßt ihn die Stimme, die von überall und nirgends zu kommen scheint. „Ich richte dir ein Gastprofil ein.”
„Sagtest du nicht, du wohnst allein hier?”, wundert sich Houston.
„Tue ich auch!”, erwidert Matilda.
„Und wessen Stimme ist das dann? Und was ist überhaupt ein Gastprofil?”, will Houston wissen.
In Houstons Gesicht kann Matilda seine Verwirrung deutlich erkennen.
„Das ist die Stimme von Mami”, entgegnet Matilda.
Houston schnappt nach Luft, als habe er einen Geist gehört. “Ich dachte, deine Mutter sei im Himmel.”
“Natürlich, deswegen passt Mami auf mich auf. Mami steht für Maschinelle Assistentin Mit Intelligenz. Mit dem Gastprofil darfst du auch ein paar Dinge, wie das Licht oder die Musiklautstärke im Haus ändern”, erklärt Matilda.
Ganz scheint Houston das nicht zu überzeugen. Sprechende Häuser sind ihm wohl nicht geheuer.
Matilda geht zum Schreibtisch, auf dem ein großer Bildschirm steht. Sie schaltet den Computer ein und startet mit einem Klick das Programm zur Steuerung des Teleskops.
„Jetzt müssen wir nur noch warten, bis es dunkel wird”, sagt Matilda.
„Da muss ich längst daheim sein”, erwidert Houston. „Meine Eltern sagen immer, ich soll nach Hause kommen, wenn die Straßenlaternen angehen.”
„Kein Problem”, sagt Matilda und klimpert auf der Tastatur des Computers wie eine Pianistin auf dem Klavier. „Ich programmiere die Laternen einfach um, sodass sie erst später angehen.”
„Sowas kannst du?”, staunt Houston.
„Kinderspiel!”, entgegnet Matilda. „Dafür muss ich mich nur kurz bei den Stadtwerken einklinken. Gib mir ungefähr vier Minuten und dreiundzwanzigeinhalb Sekunden.”
Die Zeit nutzt Houston, um sich im Labor umzuschauen. Die Regale sind vollgestellt mit Geräten und Maschinen. Viele davon sind mit kleinen gelben Zetteln beschriftet. Auf einem silbernen Kasten, der ein bisschen aussieht wie ein Handtuchspender, steht in Großbuchstaben FRIDA.
„Haben hier eigentlich alle Maschinen Namen?”, fragt Houston.
„Natürlich!”, ruft Matilda. „Wieso denn nicht?”
„Und was macht dieser Kasten?”, fragt Houston. „Also, ich meine Frida.”
„FRIDA steht für Fotorealistische Illustrationen Durch Ansage”, erklärt Matilda, als sei damit alles gesagt.
„Äh … und das bedeutet?”, will Houston wissen.
„Ganz einfach! Frida malt alles, was man ihr sagt.”
„Du machst wohl Witze!”, platzt es aus Houston heraus.
„Frida!”, ruft Matilda. „Male eine Astronautin, die auf einem Roboterpferd über den Mars reitet!”
Einen Moment lang rattert und rüttelt es. Dann spuckt Frida aus einem Schlitz das gewünschte Bild aus.
„Ist ja irre!”, sagt Houston und beäugt Frida von allen Seiten, als verstecke sich vielleicht ein winziger Mensch mit Malkasten darin. Doch dafür ist Frida viel zu klein.
„Jetzt du!”, fordert Matilda ihn auf.
Doch bevor Houston sich von Frida ein Bild wünschen kann, erklingt plötzlich eine laute Sirene. Houston hält sich vor Schreck die Ohren zu. Gleichzeitig kläfft Byte aufgeregt SOS im Morsecode.
„Was ist denn jetzt passiert?”, ruft Houston über den Lärm hinweg.
Matilda klickt hektisch auf der Computermaus herum, bis der Alarm endlich leiser wird.
„Das ist der Einbrecheralarm!”, sagt sie und ruft Bilder der kleinen Kameras auf, die ihr Papa überall im und am Haus angebracht hat.
Auf dem Bildschirm erscheint die Küche mit dem großen Kühlschrank und dem schwarz-weiß gefliesten Fußboden. Nichts zu sehen. Matilda schaltet zur nächsten Kamera, die die Garage mit ihrem grauen Elektroauto aufzeichnet. Auch dort ist nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Dann die Kamera neben der Eingangstür mit Bytes Hundeklappe und als Letztes die Kamera im Garten, auf der die große Kastanie zu sehen ist.
Houston lehnt sich über Matildas Schulter und schaut auf den Monitor.
„Dort!”, ruft er und zeigt auf das Bild vom Garten. „Da klettern zwei Männer von der Straße aus über den Zaun!”
Tatsache! Das hätte Matilda glatt übersehen. Auf dem Video beobachten die beiden einen großen gertenschlanken Ganoven, der einem kleinen kugelrunden Kerl über den Zaun hilft.
„Na warte!”, sagt Matilda und greift zu einer Fernbedienung im Regal. „Dem langen Lulatsch und der pummeligen Pampelmuse jage ich Donatello auf den Hals!”
„Wer oder was ist Donatello?”, will Houston wissen.
„Unser Mähroboter”, antwortet Matilda. „Den habe ich mit Papa so angemalt, dass er aussieht wie eine Schildkröte.”
Matilda vergrößert das Video des Gartens, bis es den gesamten Bildschirm ausfüllt. In der unteren linken Ecke ist das Gartenhäuschen zu sehen. An dessen Seitenwand öffnet sich eine Klappe und Donatello rollt gemächlich auf den Rasen.
Sonderlich gefährlich sieht er nicht aus. Eher wie eine umgedrehte Salatschüssel.
„Vielleicht hättet ihr ihn besser angemalt wie eine Schnecke, so langsam wie der ist”, sagt Houston skeptisch. „Glaubst du wirklich, dass wir damit die Einbrecher verjagen können?”
„Abwarten!”, ruft Matilda. „Im Normalmodus fährt er extra langsam, damit sich die Insekten rechtzeitig vor ihm in Sicherheit bringen können.” Dann drückt sie die lila Taste auf der Fernbedienung.
Schlagartig beschleunigt Donatello wie ein Rennauto und hält genau auf die beiden Männer zu. Die Einbrecher reißen vor Schreck die Augen so weit auf, dass es selbst auf dem Bildschirm zu erkennen ist. So schnell sie ihre Beine tragen, flüchten sie und springen den Zaun wieder hinauf. Pampelmuse schafft es nur mit viel Mühe hinüber und reißt sich dabei den Hosenboden auf. Dann sind die beiden Eindringlinge verschwunden.
„Hurra!”, jubelt Matilda. „Die sind wir los!”
„Hoffentlich”, sagt Houston.