
Stell dir eine Straße vor, die ewig lang ist. Mit richtig großen Kurven und Hügeln, die so steil sind, dass man denkt, man fährt auf eine Achterbahn zu. Am Rand ist saftig grüner Rasen, alles sieht frisch und perfekt aus, fast zu schön, um echt zu sein. Und überall blühen bunte Blumen, so leuchtend, dass sie fast glitzern.
Über der Straße spannt sich ein Regenbogen, wie aus einem Märchen. Und die Sonne scheint so warm und golden, als hätte jemand extra einen Filter drübergelegt. Aber das Krasse ist: Das alles sehen nur Kinder.
Für Erwachsene sieht die Straße komplett anders aus. Grau. Langweilig. Der Himmel ist düster, keine Farben, keine Blumen, nichts. Einfach nur trist. Wie Montagmorgen mit Mathearbeit.
Auf der Straße sind keine normalen Autos. Da düsen kleine bunte Raumschiffe herum, gelenkt von total verrückten Aliens mit riesigen Augen, Partyhüten und Konfettikanonen. Aus den Lautsprechern läuft fröhliche Musik, irgendwas mit Trompeten und Glöckchen. Es ist laut, bunt und irgendwie total witzig.
An einem Zebrastreifen steht ein Schornsteinfeger. Er sieht aus wie aus einem alten Film, mit rußverschmiertem Gesicht und schwarzem Mantel. In der einen Hand hält er einen Strauß rote Rosen. In der anderen die Hand eines kleinen Kindes. Das Kind hat einen riesigen Lolli im Mund und einen Rucksack mit einem Dino drauf. Die beiden warten darauf, rüberzugehen.
„Siehst du das alles auch?“, fragt der Schornsteinfeger das Kind.
„Na klar“, sagt das Kind. „Da fliegt grad ein Alien-Eichhörnchen!“
Der Schornsteinfeger grinst. Dann schaut er nach oben und auf einmal ist alles weg. Der Regenbogen, die Aliens, die Blumen. Stattdessen nur graue Autos, hupend, mit gestressten Fahrern. Die Sonne ist hinter Wolken verschwunden und die Musik ist weg. Still.
Drüben auf der anderen Straßenseite stehen Erwachsene. Mit Kaffeebechern, Laptops und einem Blick, als hätten sie schon zehn Meetings hinter sich. Keiner schaut wirklich hin. Keiner sieht das Kind, niemand beachtet den Schornsteinfeger. Als wären sie unsichtbar.
„Warum sehen die das nicht?“ fragt das Kind.
„Weil sie es verlernt haben“, murmelt der Schornsteinfeger.
„Was denn?“
„Na, wie man träumt. Und wie man einfach mal die Augen aufmacht, ohne alles direkt kaputtzudenken.“
Das Kind guckt rüber zu den Erwachsenen, dann auf die bunte Straße. Es zuckt mit den Schultern. „Selbst schuld“, sagt es.
Und genau in dem Moment wird alles wieder bunt. Der Regenbogen leuchtet noch heller, ein Alien winkt mit beiden Armen aus seinem Raumschiff und irgendwo springt ein Einhorn durch einen Springbrunnen aus Limonade.
Das Kind geht über den Zebrastreifen, als wäre es ein magischer Weg. Bei jedem Schritt hinterlässt es bunte Fußabdrücke. Der Schornsteinfeger geht mit, lächelt und plötzlich sieht man in seinen Augen wieder einen kleinen Funken von damals.
Und ganz vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, sieht ein alter Typ mit grauem Mantel auf der anderen Straßenseite für einen kurzen Moment einen leuchtenden Farbklecks und denkt: Warte mal … das kenne ich doch irgendwoher.