
Rote Augen im Dunkelwald
🎯 ab 11 Jahren
🕔 ca. 11 Minuten
📚 Bonusgeschichte zum Fantasyroman: Marlene – Die Auserwählte des Zauberbuchs
Darum geht's
Die drei Gefährten Marlene, Alsuna und Igran sind auf ihrem Weg durch den Dunkelwald zum Reich des Dunkelelfenherrschers Mirgos. Alsuna ist den beiden schon wieder weit voran, als Marlene einen Schrei ausstößt. Rote Augen durchfahren die Dunkelheit des Waldes und es werden immer mehr. Werden sie es schaffen, den Schattenwesen des Totenreichs zu entkommen?
„Alsuna! Könntest du bitte etwas langsamer laufen?!“, flüsterte Marlene der Lichtelfe zu, um nicht die Aufmerksamkeit von finsteren Wesen aus der Dunkelheit auf sich zu lenken. Den Kopf traute sie sich dabei nicht zu heben. Ihr konzentrierter Blick war direkt auf den mit Wurzelsträngen und feuchtem Laub bedeckten Boden gerichtet. Der Dunkelwald trug seinen Namen nicht umsonst: Alles war grau in finstertannengrün. Man sah kaum, wohin oder worauf man als nächstes trat.
„Alsuna! Komm schon! Lass uns für einen Moment ausruhen! Wir rennen dir schon seit Stunden hinterher!“ Igran berührte Marlene mitfühlend an der Schulter, während er zu der Lichtelfe aufholte. „Wir brauchen unsere Kräfte noch, um dem Dunkelelfenherrscher die Stirn zu bieten!“
Alsuna blieb so plötzlich stehen, dass Igran erst noch zwei weitere lange Schritte machte, bevor er bemerkte, dass die Lichtelfe nicht mehr neben ihm herging. Überrascht drehte sich der Dunkelelf um … und zog die Brauen hoch.
Alsunas grüne Augen funkelten vor Ärger. „Sind deine Beine schon so schwach?! Oder schlottern sie immer noch von deiner Flucht vor den Morloks? So werden wir es nie rechtzeitig bis zum Tor des Dunkelelfenreichs schaffen!“
Jetzt wurde Igran langsam auch wütend. „Ja genau! Ich zittere schon, wenn ich an die grobgesichtigen, stinkenden Trampel denke! Pah! Hältst du mich etwa für einen Hasenfuß?!“
Alsuna lächelte süß. „Eine bessere Beschreibung für dich hätte mir nicht einfallen können!“
Marlene schüttelte den Kopf. Wenn sich die beiden weiter so laut stritten, würden ihnen allen dreien wirklich gleich die Knie schlottern. Oh, nein! Ihr entkam ein Schreckenslaut. Es war bereits zu spät! Sie waren entdeckt worden! „Ähhh, Leute. Da hinten ist … schwebt etwas!“, ließ Marlene die Elfen mit ihrer dringenden Warnung verstummen. Igran und Alsuna stellten sich sofort schützend vor sie, die Hände an Schwert und Bogen.
Das Wesen kam nicht direkt auf sie zu. Es trat kurz in Erscheinung und verschwand, um an einer ganz anderen Stelle wieder aufzutauchen. Seine Gestalt war von solch einem strahlenden Weiß, dass es unmöglich war, sein genaues Aussehen zu erkennen. Einzig sein stierender Blick aus roten Augen war stets auf sie gerichtet. War es gut oder böse? Marlene versuchte es mit ihrer Magie der Hüterin der magischen Wesen zu erreichen, doch da war keine Verbindung – sie fühlte und hörte nichts.
Alsuna schluckte schwer und ließ die Hand langsam sinken. „Es ist ein Wiedergänger. Der Geist einer verlorenen Seele. Er ist gekommen, um uns in sein unsichtbares Reich zwischen Leben und Tod zu ziehen. Magie, Schwert und Bogen können ihm nichts anhaben.“ Zähneknirschend musste die Lichtelfenkriegerin zugeben: „Ich weiß nicht weiter.“
Das Gespensterwesen tauchte fünf Fuß vor ihnen auf. Es war nicht groß. Sein spitz zulaufender Kopf würde Marlene nur bis zu den Knien reichen – wenn es denn auf dem Boden stünde.
„Was willst du?“, sprach Igran das Geisterwesen mit gefährlich ruhiger Stimme an. Der Wiedergänger gluckste.
„Was ich will? Das Wertvollste, was ihr bei euch tragt! Gebt uns eure Schätze und wir überlegen, ob wir einen oder zwei von euch gehen lassen.“
„Wir? Gibt es etwa noch mehr von denen?“, flüsterte Marlene Alsuna zu.
Auf die Antwort musste sie nicht lange warten. Wie auf einen stummen Befehl hin, erschienen weitere rote Augenpaare in der Dunkelheit. Dutzende schwebende Geisterwesen zogen sich in einem Kreis um sie zusammen. Die Gefährten waren umzingelt.
In einem sicheren Abstand hockte der Grasgnom Brix in seinem Versteck und beobachtete das Geschehen. Er schlug sich die große, haarige Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. Eigentlich hatte er aus Rache Marlene und die einfältigen Elfen den Brombockeln zum Fraß vorwerfen wollen.
Sie hatten es verdient, von den Erdwichten gezwickt und gezwackt zu werden! Besonders dieses Mädchen! Aus einem lächerlichen Buch hatte sie einfach so fiese Feenbiester auf ihn und seine Freunde gehetzt! Das machte man nicht mit braven Grasgnomen!
Nun hatten die Möchtegern-Helden es ihm aber leicht gemacht und sich selbst in eine Falle begeben. Brix schnaubte. Er machte es sich bequem, um ihrem Untergang gemütlich zuschauen zu können.
Doch kaum hatte er die Beine ausgestreckt, sprang er auch schon wieder auf die Füße. „Fliegenpilzkäse und Käferspucke …! Was glänzt da auf der Brust dieses hässlichen Wiedergängers? Das ist doch …!“
Der wütende Grasgnom stürmte aus seinem Versteck. Er drängelte sich an den anderen Geisterwesen vorbei, würdigte die verdutzten Gefährten keines Blickes und schrie dem hoch über ihm schwebenden Wiedergänger aus vollem, dünnen Halse entgegen: „Du elender Dieb! Gib sie sofort zurück!“
Brix sprang immer wieder nach oben, doch seine Fingerspitzen kamen nicht mal in die Nähe des goldenen Kleinodes. „Diese Münze *Sprung* gehörte meinem Urgroßvater *Sprung*, dem großen Grœnnje Buxellus, dem Hinterhältig ….“
Brix landete auf seinem Hinterteil. Seine Augen waren riesengroß. Das schnelle Klopfen seines kleinen Herzens ließ die Halme seines Grasbüschels rascheln, welches Grasgnome anstatt eines Haarschopfes stolz auf ihrem Kopf trugen. Brix stammelte: „Du bist…bist…“
„Der große Buxellus der Hinterhältige – dein lieber Urgroßpapa“, gab ihm der Wiedergänger zur Antwort und schenkte seinem Urenkel ein blasses Lächeln. Brix spürte die Kälte der Geisterhand durch den Pelz auf seiner Schulter. „Es wäre mir eine Freude, wenn du dich uns anschließen würdest. Wir könnten bei unserer Jagd auf Schätzen einen quicklebendigen Grasgnom gut gebrauchen.“
Das zustimmende Heulen der Wiedergänger mischte sich mit dem donnernden Lachen von Buxellus dem Hinterhältigen.
Brix kniff die Augen zusammen und überlegte kurz. Seine Mundwinkel hoben sich. Warum nicht? Bevor er jedoch Luft für eine Antwort holen konnte, legte sich eine Hand auf seine andere Schulter und zog ihn kräftig zurück. „Auf ein paar letzte Worte, lieber Freund!“
„Hey! Was soll das?! Lass mich los, du gemeiner Dunkelelf!“, schimpfte der Grasgnom. Aber Igran hatte ihn bereits vor Alsuna und Marlene geschoben. Brix schüttelte Igrans Hand ab und zischte: „Das wird euch nichts nützen! Ich werde euch ganz bestimmt nicht helfen!“ Marlene sah den Grasgnom ernst an.
„Urgroßvater hin oder her: Du glaubst doch nicht etwa wirklich, dass dieser Wiedergänger-Grasgnom seine erbeuteten Schätze gerecht mit dir teilen wird? Sein Name sagt doch schon alles!“ Brix verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Und was habt ihr mir zu bieten?“ „Dich vor deinem Unglück zu bewahren!“, bot Marlene an. „Ha! Das ich nicht lache! Ihr wollte doch nur eure eigene Haut retten!“, gab Brix giftig zurück.
Der Grasgnom verengte die Augen zu Schlitzen. „Was bietet ihr mir also, damit ich euch rette?“ Igran schloss kurz die Augen und stöhnte. „Im unterirdischen Reich der Dunkelelfen gibt es viele Schätze: Edelsteine, Gold und Silber. Lass uns die Reise unversehrt fortführen und du wirst einen großen Anteil davon bekommen.“
„Vielleicht lege ich auch bei Lichtelfenkönigin ein gutes Wort für dich ein. Sie ist dafür bekannt, ihre Günstlinge reich zu belohnen“, fügte Alsuna ein weiteres aussichtsreiches Versprechen hinzu. Brix nickte kurz und sagte nur ein Wort: „Gut.“ Dann trat er an ihnen vorbei und vor seinen Urgroßvater.
„Die da …“, er zeigte mit seinen langen Fingern auf die Gefährten, „… wollen mir Schätze aus den Reichen der Licht- und Dunkelelfen bringen, wenn ich ihnen helfe, DIR zu entkommen.“
„Brix!“, riefen Marlene, Alsuna und Igran zugleich entsetzt. Der Grasgnom hatte sie verraten! Brix drehte sich mit einem breiten Grinsen um und zwinkerte ihnen frech zu. Alsuna ließ eine Lichtkugel in ihrer Hand erscheinen. „Die Wiedergänger treffe ich vielleicht nicht, aber Brix’ Grasbüschelhaar wird gleich um einiges kürzer sein!“
Marlene hielt ihre Gefährtin zurück. „Warte!“ Der Grœnnje fuhr unbeeindruckt fort: „Die Schätze haben sie selbstverständlich noch nicht bei sich. Dafür müssen sie erst in das Dunkelelfenreich gelangen.“ Er räusperte sich. „Und Mirgos besiegen. Aber DANN! Dann werden wir belohnt!“
„Wir?“, wollte Buxellus amüsiert wissen. „Wir“, versicherte ihm Brix. „Dafür musst du sie nur passieren lassen.“ Der Grasgnom winkte lässig in Richtung der Gefährten. „Den Rest lass nur meine Sorge sein. Ich werde bald reich mit so viel Schätzen wie ich nur tragen kann wiederkommen und dich mit Gold und Silber überschütten.“
Die roten Augen des Wiedergängers glühten auf. Brix legte den Kopf schief. „Du glaubst mir doch, oder? Schließlich sind wir eine Familie.“
Buxellus ließ zur Antwort wieder sein donnerndes Lachen erklingen, während er weiter nach oben schwebte. Die anderen Wiedergänger taten es ihm gleich. Die Gestalten drehten sich im Kreise.
Schneller und immer schneller, bis sie sich zu einem tosenden Sturm verbanden, der über Brix und die Gefährten hinwegfegte. Durch das Heulen hörten sie Bruxellus rufen: „Wehe du hältst dein Versprechen nicht, mein lieber Urenkel! Sonst hole ich dich! Dann wirst du ein Teil von uns sein – tot oder lebendig!“
Brix schaute die Gefährten streng unter seinem vom Winde zerzausten Grasbüschelhaar an. „Ihr habt ihn gehört! Mein Schicksal ist nun mit eurem Sieg über Mirgos verbunden.“ Der Grasgnom machte einen bedrohlichen Schritt auf Marlene, Alsuna und Igran zu. „Also wehe ihr versagt! Und nun: husch, husch! Beeilt euch, sonst werdet ihr es nie rechtzeitig bis zum Tor des Dunkelelfenreichs schaffen!“, feuerte er ihnen entgegen, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Dunkelheit.
„Kommt euch dieser Satz vielleicht bekannt vor? Wärt ihr mir ohne Murren gefolgt, wären wir ganz bestimmt nicht in diesen Geisterschlamassel geraten und müssten dem Grasgnom nicht ein Vermögen vor die haarigen Füße legen!“, unterbrach Alsuna als Erste die nun wieder im Dunkelwald herrschende Stille.
Mit einem verschlagenen Lächeln merkte Igran an: „Er hat seinem Urgroßvater versprochen, dass er ihm so viel bringt, wie er nur tragen kann. Die Arme des Grasgnoms sind ziemlich dünn und schwächlich. Ein paar glitzernde Steinchen dürften wohl für ihn ausreichen.“ Sein Lächeln verschwand, als er Marlenes tadelnden Blick bemerkte. „Was? Es ist kein Betrug! Ihr Menschen seid einfach zu ehrlich!“
Marlene hob herausfordernd das Kinn. Igran ließ die Schultern sinken. „Gut, ich lasse ihn noch ein paar Goldmünzen in seine Taschen stecken. Aber nun komm! Alsuna ist uns schon wieder ein ganzes Stück voraus!“
Kennst du schon das Fantasy-Abenteuer mit Marlene?
Marlene – Die Auserwählte des Zauberbuchs
Episches Fantasy-Abenteuer, das von Magie, Elfen und nordische Fabelwesen erzählt. Kinder- und Jugendroman ab 11 Jahren über eine Welt voller Abenteuer, Mut und Zusammenhalt.