Das Märchen von Pomperipossa mit der langen Nase

Ein Märchen von Axel Wallengren,
übersetzt von Britt Älling

Das Märchen des schwedischen Schriftstellers Axel Wallengren wurde 1895 erstmalig veröffentlicht. Die Übersetzung ist dem Originaltext verpflichtet und hat keine Anpassungen an den aktuellen Sprachgebrauch und die gesellschaftlichen Entwicklungen vorgenommen. Auch waren die Sätze in früheren Zeiten länger und dieser Stil ist beibehalten worden.

Nach Alter: Ab 6 Jahre

Nach Lesedauer: Ca. 9 Minuten

Das Märchen von Pomperipossa mit der langen Nase | Seite 1/3

Es war einmal vor vielen, vielen tausend Jahren eine fürchterliche alte Hexe namens Pomperipossa. Das ist nicht gerade ein schöner Name, jedoch ist er immer noch um einiges schöner, als sie selbst es war. Kannst du dir vorstellen, wie sie aussah?

Sie hatte zwei kleine rote Augen und einen großen Mund mit nur drei Zähnen darin. Und sie hatte überall Warzen auf ihren Händen und einen großen Buckel auf dem Rücken.
Aber das Schlimmste war ihre Nase, denn die war eine ganze Elle* lang. Du kannst dir denken, wie viel Schnupftabak draufging, wenn sie schnupfte: Ein ganzes Pfund auf einmal!

Doch Pomperipossa konnte sich das leisten, denn sie war entsetzlich reich. Sie wohnte allein in einem kleinen Haus im Wald, und das Haus war gebaut aus Wurst und Schinken, und anstelle von Ziegelsteinen waren dort große Karamellstücke. So reich war Pomperipossa!

Doch kein anderer Mensch wagte sich zu ihr – und auch kaum ein Troll, denn sie war so schrecklich böse. Wenn jemand zu ihr kam, verzauberte sie ihn augenblicklich in einen Tisch, einen Kessel, einen Federhalter oder etwas anderes.

Sie war wirklich eine sehr gefährliche Hexe: Ihre größte Sorge war, dass ihre Nase jedes Mal länger und länger werden würde, wenn sie jemanden verzauberte. Das war auch ihre Strafe.

Und natürlich gab es auch einen König in dem Land, in dem Pomperipossa wohnte, und dieser hatte einen kleinen Prinzen namens Pipi und eine kleine Prinzessin namens Fifi. Eines schönen Tages gingen sie gemeinsam im Park spazieren – begleitet von einem Hofmarschall, der so vornehm war, dass er nur „A“ oder „Ha!“ auf alles antworten konnte, was man zu ihm sagte.
„Ich will in den Wald gehen!“, sagte Prinz Pipi.
„A!“, sagte der Hofmarschall und folgte den beiden.

Nach einer Weile kamen sie zu einem Sumpf, und der Hofmarschall bekam nasse Füße, weil er nur Seidenschuhe anhatte.
„Ha!“, sagte er und ging zurück, um ein paar Kragenstiefel zu holen. Doch bevor er ging, legte er den Finger auf die Nase und sagte: „Ba!“ – das sollte bedeuten: Wartet hier, Prinz Pipi und Prinzessin Fifi, bis ich mit meinen hohen Kragenstiefeln zurückkomme!
Aber das verstanden die Königskinder nicht, sondern sie gingen tiefer in den Wald hinein.

Es war ausgerechnet derselbe Wald, in dem auch Pomperipossa wohnte. Alle Vögel zwitscherten sogleich: „Geht nicht dorthin!“ Aber Prinz Pipi verstand die Vogelsprache nicht, sondern sagte zu seiner Schwester:
„Sollen wir zu einem Abenteuer aufbrechen? Es ist so langweilig zu Hause! Ich habe bestimmt sechs Öre. Wie viel hast du, Prinzessin?“
„Ich habe nur eine einzige Öre“, antwortete Fifi, „aber ich kann Äpfel braten.“
„Dann kannst du ja beinahe kochen. Du sollst meine Haushälterin** sein“, sagte Prinz Pipi.

* Die Elle ist ein altes Längenmaß und beträgt etwa einen halben Meter

**Das Märchen ist nahezu 150 Jahre alt; damals waren Frauen nicht gleichberechtigt. Britt Älling hat die Stelle nicht modernisiert, weil sie den Text originalgetreu übersetzen wollte. Unbedingt sollte den Kindern hier erklärt werden, dass Mädchen sich nicht unterordnen sollten und es heutzutage auch nicht in Ordnung ist, seine Schwester so zu behandeln, wie Pip es tut.

Das Märchen von Pomperipossa mit der langen Nase | Seite 2/3

Und so wanderten sie abenteuerlustig durch den dunklen Wald, bis sie zu Pomperipossas kleinem Haus kamen, das aus Wurst, Schinken und Karamell gebaut war.
„Lass uns zu Abend essen!“, sagte Prinz Pipi, der Hunger hatte und ein großes Stück Wurst aus dem Haus brach.

Da steckte Pomperipossa ihre lange Nase aus dem Fenster und sah die beiden an.
„Kommt herein!“, sagte sie gleich. „Ich bin eine freundliche Patentante.
Ihr sollt Marmeladenpfannkuchen von mir bekommen.“

Prinz Pipi und die kleine Fifi glaubten ihr und gingen hinein, obwohl sie schreckliche Angst hatten.

„Hm!“, sagte Pomperipossa und sah die beiden an. „Ich habe recht lang kein Gänsesteak gegessen.“

Dann machte sie einige Zauberbewegungen in der Luft, und sofort wurden Prinz Pipi und Prinzessin Fifi zu zwei kleinen Gänsen, die sich ziemlich verschreckt ansahen.
„Hofmarschall!“, wollte Prinz Pipi in seiner Angst schreien. Aber es klang nur nach „Kakaka“ – er konnte nicht mehr sprechen, sondern nur noch schnattern.

„Aj!“, schrie Pomperipossa und fasste sich an die Nase.
Sie war in dem Moment um eine ganze Elle länger geworden, als sie Prinz Pipi und Prinzessin Fifi in Gänse verwandelt hatte.
„Selber schuld!“, schrien alle Vögel des Waldes.
„Na wartet!“, rief Pomperipossa und drohte den beiden mit der Faust. „Ich schicke euch meine Zauberkatze hinterher.“

„Wir holen Hilfe“, sangen alle Vögel und flogen davon, um den Storch zu bitten, herzukommen und einen guten Rat zu erteilen.
Der Storch ist der weiseste von allen Vögeln, denn er reist jeden Winter nach Ägypten und studiert die Hieroglyphen an den Pyramiden.

„Jetzt müsst ihr schwimmen, meine kleinen Gänse!“, sagte Pomperipossa und trieb Pipi und Fifi mit ihrem großen Stecken vor sich her. „Das tut euch gut, und dann schmeckt ihr besser, wenn ich euch heute Abend brate.“
Und so trieb sie den armen Prinzen und die Prinzessin zum See hinunter.

„Kakaka!“, jammerten sie, aber sie mussten trotzdem in das kalte Wasser hinein.
„Sagt ihr Kakaka?“, fragte Pomperipossa. „Meint ihr vielleicht Marmeladenpfannkuchen?“, verhöhnte sie die beiden.
Die verzauberten Gänse mussten kleine, schwarze Krötenjunge und nasses Gras essen – das war etwas anderes als Marmeladenpfannkuchen!

Pomperipossa stand am Strand und stützte sich mit ihrer langen Nase ab, die nun so lang war wie ihre Beine. Im gleichen Moment hörte sie ein Rascheln hinter sich im Wald und drehte sich um. Es war der Hofmarschall, der heimgegangen war, um seine Kragenstiefel zu holen und seitdem unruhig nach den verschwundenen Königskindern gesucht hatte.
„Ha!“, sagte der Hofmarschall, als er die Hexe sah. „Pa!“, sagte er und zog sein langes Schwert, um ihr die Nase abzuhacken.

Das Märchen von Pomperipossa mit der langen Nase | Seite 3/3

Doch Pomperipossa verwandelte ihn sogleich in eine alte Krähe, die ängstlich am Strand herumhüpfte und „Kra, kra!“, krächzte.
„Ja, krächzt und schnattert!“, lachte Pomperipossa zufrieden. „Es gibt nichts, was euch von dem Zauber befreien kann – außer ihr hört den allerentsetzlichsten Schrei der Welt, den man sich vorstellen kann. Denn dann bekommt alles, was ich verzaubert habe, seine richtige Gestalt zurück, und ich selbst werde zu einem Stein. Aber wir wollen hoffen, dass das in ein paar Millionen Jahren noch nicht passiert“, sagte Pomperipossa und schnupfte zwei Pfund Schnupftabak auf einmal.

„Das würde dir Recht geschehen!“, schrien all die kleinen Vögel, die mit dem weisen Storch zurückgekommen waren.

„Ihr ärgert mich so, dass meine Nase warm wird“, fauchte Pomperipossa und steckte die Nase in den See, um sie abzukühlen.
Aber schau: Das hätte sie nicht tun sollen.

Denn unten am Seegrund war ein großer Krebs, der seit drei Tagen nichts mehr zu essen gehabt hatte. Und der Krebs kniff sich mit seinen großen Scheren in Pomperipossas langer Nase fest. Und Pomperipossa schrie so fürchterlich, dass sie im ganzen Gesicht blau wie eine Pflaume wurde – aber der Krebs ließ nicht los.

Da schrie die Hexe noch schlimmer – und zwar so, dass man sie bis hinüber nach Afrika hören konnte.
„Das war der allerentsetzlichste Schrei der Welt, den man sich vorstellen kann“, sagte der Storch.
Und er sagte die Wahrheit, denn kein Vogel kann lügen.

Flux und krux! Da löste sich im Nu Pipis und Fifis Zauber, und die kleinen weißen Gänse wurden wieder Prinz und Prinzessin. Und die alte Krähe, die am Strand herumhüpfte, wurde sogleich zum Hofmarschall mit Orden und Perücke und Schwert und Kragenstiefeln.
„Was? A! Gut!“, sagte der Hofmarschall und nahm jeden – Prinz Pipi und Prinzessin Fifi – an eine Hand und lief mit ihnen so schnell er konnte zurück zum Schloss, wo der König saß und auf sie wartete – mit der Reichsrute in der linken Hand und einem großen Reichsapfel in der rechten Hand
Er war sehr verärgert, weil sie so lange fort gewesen waren.
„Na!“, sagte der Hofmarschall beruhigend.

Und der König verstand sogleich, dass der Hofmarschall eigentlich meinte, dass sie von Pomperipossa verzaubert worden waren und nicht anders gekonnt hatten. Da war der König so gerührt, dass er dem Hofmarschall den Reichsreisig in die Halskrause steckte – wie eine besondere Auszeichnung –, aber Prinz Pipi und Prinzessin Fifi gab er jeweils die Hälfte seines großen Reichsapfels.

Doch Pomperipossa verwandelte sich sofort in einen großen Stein. Du kannst sie selbst noch sehen, wenn du an diesen See kommst – auch wenn sie nun so mit Büschen und Moos überwachsen ist, dass sie aussieht wie ein kleiner Berg. Doch einmal im Jahr – an dem Tag, an dem sie versteinert wurde – wird sie wieder wie vorher. Dann kneift der Krebs in ihre Nase, und dann schreit sie wieder so schrecklich, dass es ein Echo in den Bergen gibt. Aber an welchem Tag das ist – ja, das weiß nur ich. Und ich rede nicht darüber, denn es soll nicht dazu dienen, dass du dorthin gehst und nachschaust, denn dann wird deine Nase so lang wie die von Pomperipossas – und das willst du doch sicher nicht?

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