Martina Türschmann im Autoren-Interview
Erhalte einen exklusiven Einblick in das Leben und die Arbeit der Kinderbuchautorin Martina Türschmann.
Das Interview
Was bedeutet das Schreiben
für dich persönlich?
Schreiben macht mir von Haus aus sehr viel Spaß. Es heißt ja, dass ein Buch nur zu 50% aus einer guten Idee besteht. Die andere Hälfte macht die Schreibtechnik aus. Mir bereitet es große Freude, an Sätzen zu drehen, Textabschnitte mehrfach durchzulesen und zu korrigieren, daran zu feilen.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich durch meine Lektorin: Carolin Olivares immer wieder dazulerne. Dieser Teil der Überarbeitung macht mir besonders viel Spaß. Auch die gemeinsame Zeit, die dadurch mit ihr entsteht.
Na ja, letztendlich mit dem fertigen Buch und seiner Botschaft in die Welt hinauszugehen, erfüllt mich mit Glück. Wenn ich merke, dass ich einem Kind mit meinen Buchthemen weiterhelfen kann, weiß ich, warum ich das alles mache.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Gab es ein prägendes Erlebnis oder lag es dir schon immer im Blut?
Das Lesen liegt mir möglicherweise im Blut, aber nicht das Schreiben. Ich war zu Schulzeiten eher mittelmäßig in Deutsch.
Dass ich heute Bücher schreibe, ist mit dem ‚zu Bett geh‘-Ritual meiner Kinder quasi nebenbei entstanden. Mittlerweile sind sie erwachsen und leben ihr eigenes Leben.
Als sie noch klein waren, haben mein Mann und ich abends entweder vorgelesen oder Geschichten erzählt. Wir haben über den Tag gesprochen: Was war schön, was war nicht so toll? Irgendwann kam das Thema schlechte Laune auf den Tisch, wie schnell man sich damit anstecken kann – vor allem wie schnell man die schlechte Laune des anderen dann auf sich selbst bezieht. Gerade Kinder denken häufig, dass sie etwas falsch gemacht haben, wenn Erwachsene ihre schlechte Laune an ihnen auslassen. Ich muss sagen, ich kenne dieses Gefühl schon auch – als Erwachsene. Was macht das erst mit Kindern?
Irgendwann ist dann die Figur des Miesegrimm entstanden.
Das Thema schlechte Laune um den alten Geist wurde immer größer, so dass ich mich dann hingesetzt habe, um alles aufzuschreiben. Ab einem gewissen Zeitpunkt konnte ich nicht mehr aufhören. Es musste einfach ein Buch daraus werden.
Welche Geschichte/welches Buch hat dich als Autorin am meisten geprägt?
Das ist schwierig zu beantworten. Als Kind wie auch heute als Erwachsene habe ich Bücher verschlungen. Spontan für meine Kindheit: Otfried Preussler, die „Nesthäkchen“-Bände, Hanni und Nanni, später Herr der Ringe und so vieles mehr. Meine Lieblings-Schriftstellerin heute ist Rebecca Gablé.
Hmm, geprägt haben mich so gesehen schon immer die Bücher, bei denen ich mich mit den Protagonist*innen identifizieren konnte. Wenn ich gerne so gewesen wäre wie sie, ich mit ihnen in eine tolle Geschichte eintauchen konnte.
Wie oder wo findest du deine Inspiration für die Geschichten?
Die Ideen für die Themen meiner Bücher habe ich bei meinen eigenen Kindern gefunden, als sie noch in der Grundschule waren und ein bisschen darüber hinaus. Ich habe das aufgegriffen, was sie in dem Alter beschäftigt hat.
Vieles liegt auf der Straße. Man muss nur genau hinschauen. Mein Protagonist Felix hat zum Beispiel in „Miesegrimm Der Spielverderber“ eine grün gefärbte Haarsträhne. Bei ihm war das eine Trotzreaktion auf das Geschimpfe des Vaters. Die Idee hierfür kam mir allerdings, als der Nachbarssohn eines Tages mit grün gefärbten Haaren durch unsere Straße gelaufen ist. Wunderbar… 😊
Fällt es dir immer leicht,
Geschichten zu schreiben?
Nein.
Es ist zwar generell so, dass ich von der Kreativität besucht werde, wenn ich an meinem PC sitze – dann flutschen die Ideen vorbei – aber immer klappt das auch nicht. Ich habe jetzt das große Glück, dass ich keine direkten Abgabetermine habe. Damit musste ich mich bis jetzt noch nicht auseinandersetzen.
Mit einem leeren Hirn vorm PC zu sitzen und unter völliger Einfallslosigkeit zu leiden, kenne ich allerdings schon. Diesen Zustand dann krampfhaft aufrecht zu erhalten, dem Stress so richtig die Tür zu öffnen, hat bei mir noch nie geholfen.
Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass Pausen oder sich mit etwas anderem zu beschäftigen, helfen. Ich weiß einfach, dass sich die Kreativität irgendwann wieder einstellt. Bisher hat es funktioniert. Und dieses Wissen darum ist schon sehr wertvoll für mich.
Bist du auf eine Geschichte oder ein Buch von dir besonders stolz?
Das kann ich so nicht sagen. Ich mag alle meine Bücher und Geschichten. Jeder Text hat etwas Besonderes, eine andere Botschaft, ein anderes Thema.
Aber wenn ich es mir recht überlege vielleicht: „Miesegrimm und die Plaudertasche“. Es ist eine Sache, über Gefühle und was sie mit einem machen, zu schreiben. Aber immer wieder packe ich mich an der eigenen Nase, wenn ich merke, wie mich selbst manchmal noch Bemerkungen von anderen treffen können. Sie bei mir einfach in den ‚falschen Hals‘ rutschen. Kennen wir das nicht alle?
Gibt es persönliche Erlebnisse, die sich in deinen Geschichten wieder finden?
Und wie. Über manche Sachen könnte ich gar nicht schreiben, wenn ich diese oder andere Situationen nicht selbst erlebt oder ‚durchfühlt‘ hätte. In meinen Büchern natürlich übertragen in die Märchenwelt. Leider ergab sich für mich noch nie die Gelegenheit vor einer Drachenhöhle zu hocken.
Die schlechte Laune zum Beispiel habe ich damals selbst in die Familie geschleppt. Ich hatte mich so damit angesteckt, dass ich den ganzen Tag mit meinen Kindern geschimpft habe. Sie konnten mir einfach gar nichts mehr recht machen. Später habe ich mich dann noch mit meinem Mann gezofft. Der wurde dann auch richtig blöd. Später haben wir uns gefragt, was war das denn heute?!
Es geht ja nicht um das „du bist, du sollst, du kannst, du darfst“ – solche Sätze kommen von Menschen, die die Gefühle des anderen überhaupt nicht nachvollziehen können, egal, in welchem Alter.
Kann ein Kind etwas damit anfangen? Ich finde selten, es sei denn natürlich es werden Gebote/Verbote ausgesprochen, bei denen es im erzieherischen Bereich einfach keine Diskussion gibt. Das ist in dem Tenor aber etwas ganz anderes.
Mir geht es um Emotionen, die in manchen Situationen etwas mit dir machen, schlechte Gefühle erzeugen, dich in eine bestimmte Richtung schubsen. Jedes Gefühl, jede Emotion hat seine Berechtigung, darf sein, auch wenn es erst einmal negativ erscheint. Doch manchmal gibt es in dem Alter schon tiefsitzende Knoten, die ein bestimmtes Verhalten hervorrufen. Du kennst Kinder, die in ihrer Wut einfach nur gemein sind? Oder Kinder, die so in ihrer Angst feststecken, dass sie sich in ihrer eigenen Entwicklung völlig ausbremsen? Kein Kind kommt so auf die Welt, es wird durch seine direkte Umgebung geprägt. Wachstum erfolgt dann meiner Ansicht nach nur, wenn man die Einsicht, das Verständnis für eine Situation schafft – auf Augenhöhe des Kindes.
Wie sieht bei dir üblicherweise der Weg von der ersten Idee bis zu der fertigen Geschichte/dem fertigen Buch aus?
Es gibt viele Kolleg*innen, die, bevor sie den ersten Satz überhaupt schreiben, ein genaues Bild über die einzelnen Charaktere zeichnen, sich den roten Faden durch die Geschichte überlegen. Manchmal empfiehlt es sich auch, einen Zeitstrahl anzufertigen, um den Überblick über den Ablauf der Geschichte zu behalten.
Ich gehe selbst ein wenig unorthodox damit um. Meine Figuren habe ich im Kopf, wobei ich nach und nach schon Charakterbeschreibungen anfertige. Da bin ich aber längst am Schreiben. Die Gefühle und charakterlichen Eigenschaften meiner Figuren habe ich im Kopf. Meine Bücher sind auch noch nicht so dick, dass ich den Überblick verlieren könnte. Bei 400seitigen Romanen und mehr ist das schon etwas anderes.
Beim Schreiben springe ich häufig hin und her. Wenn ich zum Beispiel in der Mitte der Geschichte stecke und mir fällt eine gute Idee für den Anfang ein, dann kommt es durchaus vor, dass ich zurückgehe und die neuen Details noch einbaue.
Lebst du als Autorin deinen Traum?
Ja. Ich habe lange nebenberuflich geschrieben – wie gesagt – es hat mit dem Geschichtenerzählen angefangen. Zu der Zeit habe ich noch im kaufmännischen Bereich gearbeitet. 2018 habe ich meinen Beruf aufgegeben, um mich ganz der Schreiberei zu widmen.
Was möchtest du in deinem Leben unbedingt noch erleben?
Möglichst viele Kinder und vielleicht auch den einen oder anderen Erwachsenen. Dazu gehört auch, mit meinen Büchern sichtbarer zu werden.
Insofern stecke ich viel Zeit in Marketing und Vertriebsaufgaben. Deutschlandweit gibt es bereits einige Buchhändler*innen, die meine Bücher in ihr Sortiment aufgenommen haben.
So freue ich mich auch über das Interesse von Schulen, die meine Lesungen und meine Arbeit mit den Kindern nachfragen. Und natürlich ist das auch Werbung für meine Bücher, keine Frage.
Was möchte ich noch erreichen? Jetzt muss ich schmunzeln. Den Miesegrimm gibt es bereits als Theaterstück im adspecta Theaterverlag. Wie wäre es mit dem Miesegrimm in der Filmbranche? Aber jetzt fange ich an zu träumen 😊. Wer weiß, was noch kommt. Der Weg, auf dem ich mich befinde, ist genau der richtige. Es ist und bleibt spannend, ich bin offen für alles, was sich noch entwickelt.
Gibt es etwas, das du in deinem Leben unbedingt noch erleben möchtest?
Auf jeden Fall möchte ich noch andere Länder sehen und reisen. Was ich sonst noch erleben und machen möchte, wird sich zeigen. Bin sehr zufrieden.
Hast du eine Lebensweisheit/ein Lebensmotto, welche/welches du verfolgst?
Nie aufgeben, wenn du selbst davon überzeugt bist, das Richtige zu tun. Auch wenn Menschen in deinem Umfeld meinen, dir von deinem Vorhaben abzuraten. Sätze wie ‚Das schaffst du ja doch nicht‘, ‚Lass es sein…‘ gleich wieder aus deinem Gedächtnis streichen. Geh deinen eigenen Weg.
2007 habe ich genau unter diesen Unk-Rufen im Selfpublishing mit dem Miesegrimm angefangen. Heute steht mir der adspecta Theaterverlag mit Anke Kemper und der Kelebek Buchverlag mit Maria Schenk zur Seite. Hätte ich nie geschafft, wenn ich damals auf die anderen gehört und nicht diesen einen Schritt gegangen wäre.