Ärger im Kindergarten

Kris Felti

Bruno macht im Kindergarten ziemlich Ärger. Zwischen GĂ€nseblĂŒmchen und ihren Freunden geht eine Diskussion los, wie damit umgegangen werden sollte. 

Nach Alter: Ab 9-12 Jahre

Nach Lesedauer: Ca. 10 – 20 Minuten

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Wie fast an jedem Abend kniete GĂ€nseblĂŒmchen auf dem Hocker, der sich an den wohltuenden, gelb lackierten Heizkörper schmiegte. Die Ellenbogen stĂŒtzte das MĂ€dchen auf einem weichen Kissen ab, das sie auf das Fensterbrett gelegt hatte. 

GĂ€nseblĂŒmchen brauchte diese Zeit am Abend, um ĂŒber den Tag nachzudenken. Ihren Freunden Muffi, ihrem PlĂŒschhund, Lily, dem PlĂŒschpferd, Pingu, dem großen Kaiserpinguin und Paul, dem kleinen Husky mit den blauen Augen, erzĂ€hlte sie, was sie erlebt und dabei gefĂŒhlt hatte. Ihre Freunde fanden fĂŒr jedes noch so große Problem eine Antwort, mit der sie GĂ€nseblĂŒmchen beruhigen konnten. Denn GĂ€nseblĂŒmchen war fast immer beunruhigt. 

Seit sie denken kann, sind laute GerĂ€usche ihr ein GrĂ€uel. Wenn ihre Mutter sie morgens zum Kindergarten brachte, hörte sie schon von Weitem die GerĂ€usche unbĂ€ndiger Spiellust und Freude der anderen Kinder, die es kaum erwarten konnten, ihre Freunde im Kindergarten zu treffen. Nicht so GĂ€nseblĂŒmchen. Sie liebte es, allein oder auf dem Schoß ihrer Mutter den KlĂ€ngen im Garten zu lauschen. Sie hörte das Summen der Hummel Heiliam oder das Rauschen der BlĂ€tter ihrer Freunde, der BĂ€ume Rialta, der Birke im Garten, Schiwalu, der Blautanne, Laurelia, der Sauerkirsche oder Taulafi, der Linde, die ihre Äste neben Rialta in den Himmel streckte. 

Heute wollte GĂ€nseblĂŒmchen jedoch nur aus dem Fenster, hinunter in den Garten schauen, der in der DĂ€mmerung beinahe unheimlich wirkte. Aber das MĂ€dchen wusste, dass im Garten keine Gefahren lauerten, weil sie ĂŒberall von ihren Freunden beschĂŒtzt wurde und ihre Mutter auf sie achtgab. 

In ihren Gedanken versunken, sah sie einen Schatten auf sich zufliegen und erschrak im ersten Moment. Im zweiten Moment erkannte sie Quiki, die kleine Fledermaus, die in der an den Garten angrenzenden Scheune lebte und allabendlich ihre Runden flog, um die lĂ€stigen, stechenden Plagegeister von GĂ€nseblĂŒmchens Fenster fernzuhalten. Mit einem Wackeln ihres linken riesigen Ohres signalisierte sie dem MĂ€dchen, das Fenster einen Spalt zu öffnen. GĂ€nseblĂŒmchen wandte sich um und lauschte, ob sie im Treppenaufgang die Schritte der Mutter vernahm. Aber es war ganz still, sie wusste, dass sie das Fenster nicht öffnen durfte, um nicht hinauszufallen. Aus der Richtung ihres Bettes hörte sie ein RĂ€uspern. „Huchrrhuchrr“, machte es und GĂ€nseblĂŒmchen wusste, wer sich dort bemerkbar machte. Es war Muffi, ihr kleiner PlĂŒschhund. „Du weißt genau“, flĂŒsterte er angestrengt laut, „dass es deiner Mama nicht gefallen wĂŒrde, wenn sie wĂŒsste, dass sie sich auf dich nicht verlassen kann.“ „Mama ist unten in der KĂŒche. Sie sieht es nicht“, erwiderte das MĂ€dchen und schob den Fensterriegel zur Seite, sodass das Fenster einen Spalt offenstand. Gerade so weit, dass Quiki hindurchschlĂŒpfen konnte. Geschwind drĂŒckte GĂ€nseblĂŒmchen den Riegel wieder nach unten. Jetzt setzte sich Quiki auf das Kissen, da die kalte Fensterbank ungemĂŒtlich war. „Ich habe gesehen, dass du heute irgendwie traurig bist“, begann die Fledermaus. Dabei schaute sie dem MĂ€dchen in ihre braunen Augen. 

GĂ€nseblĂŒmchen hatte die Gabe, mit ihren Augen zu sprechen. Nur sehr selten sprach sie mit ihren Freunden, wie es jedermann tat, indem sie ihren Mund öffnete und ihre Stimme erklingen ließ. Diese Stimme war leise, weil Unsicherheit sich ihr in den Weg stellte. DarĂŒber hatten die Kinder in ihrem frĂŒheren Kindergarten oft gelacht. Mit ihren Freunden waren es meistens stille Unterhaltungen. Zur Traurigkeit in ihren Augen gesellten sich die TrĂ€nen, die manchmal einfĂŒhlsam und manchmal garstig sein konnten. Jetzt waren sie nett, wĂ€hrend sie streichelnd ĂŒber ihre Wangen rollten, ohne auch nur ein Wort zu sagen. In solchen Situationen wussten sie, dass das MĂ€dchen sich schneller beruhigte, wenn sie sich nicht mit gutgemeinten RatschlĂ€gen einmischten. 

Quiki saß geduldig auf dem Kissen und wartete darauf, dass seine Freundin sich ein Herz fassen wĂŒrde. „Heute kam ein neuer Junge in unseren Kindergarten“, begann sie leise. „Sein Name ist Bruno. Er begann sofort, die MĂ€dchen zu schubsen und die Jungen grundlos zu schlagen. Obwohl Frau Liebig nicht mit ihm schimpfte, sondern versuchte, mit ihm zu sprechen, schlug er ihr den Locher ins Gesicht, der immer auf ihrem Bastelpult lag. Frau Liebig hat geblutet und musste zum Arzt.“

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Die Freunde in GĂ€nseblĂŒmchens Zimmer hatten alles mit angehört und redeten jetzt durcheinander, dass man kein einziges Wort mehr verstehen konnte. „Pschschsch“, machte Quiki, wĂ€hrend er zum Bett blickte, aus dem die Stimmen kamen. Die dicke Federdecke zappelte und Lily, Pingu, Paul und Muffi lugten hervor. Ihre schwarzen KnopfĂ€ugelein, und die blauen des Huskys, glĂ€nzten vor Aufregung. Aber sie waren verstummt. Quiki war respekteinflĂ¶ĂŸend, das musste man ihm lassen. Zu dem MĂ€dchen gewandt, sagte er: „Nun, das ist wirklich ein trauriges Erlebnis fĂŒr dich, Frau Liebig und all die anderen Kinder. Du weißt aber, dass deine Erzieherin beim Arzt Hilfe bekommen hat.“ Jetzt mischte Lily sich ein. „Willst du GĂ€nseblĂŒmchen jetzt allen Ernstes damit beruhigen, dass fĂŒr die arme Frau Liebig ja alles gut ausgegangen ist? Der Junge muss bestraft werden!“ Ihre plĂŒschigen Freunde stimmten ihr zu. „Er verdient es, vom Kindergarten ausgeschlossen zu werden!“, fĂŒgte Muffi hinzu. GĂ€nseblĂŒmchen lĂ€chelte zuerst, wurde aber gleich wieder ernst. „Wenn das nur so einfach wĂ€re. Herr Schmieder, unser Kita-Leiter, rief sofort den Vater in seiner Arbeit an. Der Mann kam ganz schnell mit seinem Auto angefahren. Er hatte noch die Arbeitssachen an und war von oben bis unten mit Farbe bekleckert.“ 

„Ein Maler“, warf Paul ein, um auch etwas gesagt zu haben. „Dann hat er den Jungen abgeholt?“, fragte nun Quiki, der bemerkte, dass das GesprĂ€ch aus dem Ruder lief. Schließlich wollte er GĂ€nseblĂŒmchens TrĂ€nen auf den Grund gehen. Das MĂ€dchen wandte sich wieder der Fledermaus zu. „Der Vater kam ins Gruppenzimmer, obwohl Herr Schmieder ihn bat, am Sekretariat zu warten, um Bruno zu holen. Doch der Vater hörte nicht auf ihn. Er kam in unseren Raum und packte Bruno bei den Schultern. Dabei brĂŒllte er so laut, dass meine Ohren sich beschwerten und ich zu weinen anfing. Der Mann zerrte Bruno zur TĂŒr. Draußen, auf dem Parkplatz, hat er ihn gehauen. Wir haben es vom Fenster aus gesehen.“ 

Erschrocken hopsten die PlĂŒschtiere vom Bett, um nahe bei GĂ€nseblĂŒmchen zu sein, und sie zu streicheln. Das war wirklich ein schreckliches Erlebnis. Sie schĂ€mten sich, dass sie die Traurigkeit im Gesicht ihrer Freundin nicht bemerkt hatten. Die TrĂ€nen waren versiegt und GĂ€nseblĂŒmchen bemĂŒhte sich, zu lĂ€cheln. „Ich habe auf dem Heimweg im Auto ĂŒber Bruno nachgedacht und mit Mama gesprochen. Sie war auch traurig und erzĂ€hlte mir, dass es frĂŒher, als sie selbst noch ein Kind war, normal war, dass Eltern ihren Kindern wehtaten. Manchmal sogar die Lehrer. Nachdenklich fĂŒgte sie noch hinzu, dass der Vater vielleicht auch einen besonders schweren Tag hatte, was es jedoch nicht entschuldigte.“

Mit großen Augen sahen sich die Freunde an. „Dann sollten wir nicht böse auf ihn sein?“ GĂ€nseblĂŒmchen nickte. „Mama sagte, dass Bruno sich vielleicht so verhielt, weil er es in seinem Zuhause nicht so gut habe. Darum bat sie mich, ihm eine Chance zu geben. Denn wenn er merkte, dass er von uns Kindern akzeptiert wird und dass wir ihn mögen, wird er sein Verhalten Ă€ndern. Und daran glaube ich jetzt auch ganz fest.“ 

Quiki atmete erleichtert aus. „Na, dann kann ich mich ja wieder auf meinen Rundflug begeben. Gute Nacht GĂ€nseblĂŒmchen, gute Nacht Lily, Paul, Pingu und Muffi.“ GĂ€nseblĂŒmchen öffnete das Fenster wieder einen Spalt, damit die Fledermaus ihren Flug durch die Nacht fortsetzen konnte. Mit leichterem Herzen nahm sie ihre Freunde, brachte sie zu ihrem Bett und legte sich dazu. „Gute Nacht!“ Sie kuschelte sich an ihre Freunde, fĂŒhlte ihre Weichheit und schlief ein. 

Der Mond war inzwischen hinter der Linde erschienen. GutmĂŒtig lĂ€chelte er und zwinkerte mit einem Auge. Sein Dasein verzauberte den Garten in einen Feenpalast aus grauen NebeltĂŒchern, die tanzend, wie Spinnweben ĂŒber der Wiese davonflogen. Frieden kehrte ein in die HĂ€user der Menschen und die SchlafplĂ€tze der Tiere. 

„Gute Nacht, GĂ€nseblĂŒmchen! Gute Nacht, Tiere und Pflanzen!“

Copyright © by Kris Felti, 2022

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