
Kapitel 3: Albert hat verschlafen
Darum geht's
Am Morgen wird Albert von dem Professor geweckt. Der Kater hat verschlafen, und das ausgerechnet an einem so wichtigen Tag. Denn der Professor erwartet wichtige Briefe und diese zu holen ist Alberts Aufgabe. Schnell macht er sich auf den Weg, doch natürlich nicht alleine. Denn Mimi weicht ihm nicht mehr von der Seite und plappert sogleich wieder fröhlich drauf los.
„Albert … Aaalbert? Albert!“
Langsam öffnet der Kater sein linkes Auge. Hat ihn da jemand gerufen?
,,Albert, mein alter Freund, du hast verschlafen!“, hört er die Stimme des Professors.
Ich? Verschlafen? Ich habe noch nie verschlafen, schließlich muss ich doch morgens in der Früh die Post holen, denkt Albert und gähnt herzhaft, bevor er sein rechtes Auge auch noch öffnet. Vor ihm steht der Professor und schaut ihn lächelnd an. Mit einem Ruck sitzt Albert kerzengerade auf der Fensterbank. Tatsächlich – er hat verschlafen. Das ist ihm noch nie passiert!
Durch sein abruptes Aufspringen purzelt Mimi aus seinem Kuschelfell und kann sich gerade noch mit einem Pfötchen an der Fensterbank festhalten, um nicht hinabzufallen.
„Oh, wir haben Besuch“, sagt der Professor und beugt sich zu ihr herunter. Vorsichtig nimmt er Mimi auf seine Handfläche und schaut sie genau an. „Was hast du denn da für eine niedliche Tasche um?“ Dann tippt er ganz leicht mit dem Zeigefinger darauf.
Sofort umklammert Mimi ihre Tasche mit beiden Pfötchen und springt von der Hand des alten Mannes zurück zu Albert auf die Fensterbank.
„Ach je, ich wollte dich nicht erschrecken und dir schon gar nicht deine Tasche wegnehmen. Ich lebe mit Albert und Frau Apfelbaum hier auf der Insel Pellewurm. Alle nennen mich Professor und du kannst mich auch gerne so nennen!“
Mimi schnappt sich ihren Rucksack und die Papierrolle und schlüpft wieder in Alberts Fell. Zwar sieht der Professor sehr freundlich aus, aber sicher ist sicher! Trotzdem streckt sie ihren Kopf ein Stückchen hinaus und schaut sich um. Gestern Abend ist sie dafür viel zu müde gewesen und direkt eingeschlafen. Das Schnurren des Katers hatte so eine beruhigende Wirkung auf sie gehabt, dass ihr das überhaupt nicht schwergefallen ist.
Staunend betrachtet sie die vielen Regale, die über und über mit Büchern gefüllt sind. Wurden die schon alle gelesen? Auf dem Schreibtisch in der Mitte des Raumes liegen besonders dicke und große Bücher, die alle mit einem goldenen Einband versehen sind. Ob die eine besondere Bedeutung haben?
„Könntest du dich bitte beeilen und mir nun die Post holen, lieber Albert? Ich erwarte Briefe von meinen Professorenkollegen, mit ganz wichtigen Informationen für meine Wissensbücher. Ohne die kann ich nicht weiter daran arbeiten. Eigentlich hätten sie schon in den letzten Tagen ankommen müssen. Ich warte wirklich dringend darauf“, wendet sich der Professor wieder Albert zu.
Hastig springt Albert samt Mimi von der Fensterbank. Die Sache ist ihm äußerst unangenehm. Er hat das erste Mal in seinem Leben verschlafen und das ausgerechnet jetzt, wo der Professor besonders dringend auf die Post wartet. Außerdem ist er so spät dran, dass nun keine Zeit mehr zum frühstücken bleibt. Das auch noch, denkt er, als sein Magen so laut knurrt, dass es möglicherweise sogar Frau Apfelbaum in ihrer Küche hören kann.
„Wo gehen wir hin?“, fragt Mimi.
„Wir? Hier geht ja wohl nur einer! Die feine Mäusedame lässt sich tragen“, antwortet Albert und merkt selbst, wie schlecht gelaunt das klingen muss.
,,Wohin trägst du mich?“ Mimi scheint seine miesepetrige Stimmung zu überhören.
Albert rollt mit den Augen. Bevor Mimi hier auftauchte, war die Welt für ihn in Ordnung. Alles war ruhig und gemütlich und jeder Tag lief gleich ab. Noch nie hatte er nasse Pfoten bekommen, seltsame Fragen beantworten müssen oder sogar verschlafen. Jeden Morgen hatte er pünktlich die Post geholt. Aber nun? … Was für ein Durcheinander!
„Auf die Nachbarinsel. Wir holen die Post für den Professor ab.“ Mit schnellen Schritten läuft Albert los. Erst die Treppe mit den 268 Stufen hinunter und dann hinaus, an den Apfelbäumen vorbei, am Strand entlang bis zu der langen Hängebrücke. Hier bleibt er stehen. „Jetzt wird es holprig“, warnt er Mimi, bevor er weiterläuft.
Die Hängebrücke bewegt sich bei jedem Tritt und Mimi hüpft auf Alberts Rücken immer wieder hoch und runter. „Weißt du, Alberrrto … “
Albert schüttelt sich, als er das rollende R und das ungeliebte O in seinem Namen hört.
„Ups, ‚tschuldigung, ich mei-meinte natürlich Albert … „, beginnt Mimi erneut. Durch die Hüpferei klingt ihre Stimme ganz abgehackt. „Bei u-uns in Bra-Brasilien gibt es noch vi-viel längere Hä-Hängebrücken als bei euch.“
„Ach so“, erwidert Albert und muss blinzeln, weil ihm der scharfe Nordseewind in den Augen zwickt. Er verlangsamt sein Tempo, damit Mimi nicht so durchgeschüttelt wird.
„Ja, wirklich, Albert! Wir haben ohnehin ganz viele Brücken in Brasilien, denn wir haben den längsten Fluss der Welt, den Amazonas. Übrigens ist er auch der breiteste und der wasserreichste Fluss. Er ist noch länger als der Nil in Afrika. Krass, oder?“
Überrascht schaut Albert auf. Natürlich weiß er das alles schon aus den Büchern des Professors. Doch Mimis Wissen beeindruckt ihn. Das hätte er der kleinen Maus gar nicht zugetraut!
Mimi holt tief Luft und erzählt weiter: „Und weißt du, was es noch bei uns in Brasilien gibt? Riiiesige Regenwälder, in denen viele wilde Tiere leben! Und weißt du, was noch? Dinosaurier! Einmal hat mich fast einer gefressen, aber ich habe ihn ganz laut angebrüllt, wie ein Löwe: ROAAAR!!! Und dann … “
„Es gibt keine Dinosaurier mehr, Mimi. Die sind schon vor 65 Millionen Jahren ausgestorben.“ Albert schüttelt den Kopf und verkneift sich ein Lächeln. Die kleine Maus kann so gut Geschichten erzählen, dass seine schlechte Laune langsam verfliegt.
„Dann war es ein Tier, das wie ein Dinosaurier aussieht“, antwortet Mimi nach kurzer Überlegung und ruft den Möwen, die über ihnen kreisen, ein fröhliches Hallo zu.