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Beitragsbild für die Bonusgeschichte "Amaya und Frau Vogelschreck" zum Kinderbuch "Die Hüterin des Gemüsegartens", ein Bilderbuch ab 3 Jahren über Gemüse und gesunde Ernährung von Jacky Praefke und Zwergenstark

Amaya und Frau Vogelschreck

🎯 ab 3 Jahren

🕔 ca. 10 Minuten

📚 Bonusgeschichte zum Bilderbuch: Die Hüterin des Gemüsegartens

Darum geht's

Amaya und ihr Papa gehen heute in das große Feld, um nach dem Mais zu sehen. Dort trifft Amaya auf eine besondere Vogelscheuche: Frau Vogelschreck. Doch sie sieht traurig aus. Da erwacht Frau Vogelschreck zum Leben und erzählt Amaya, dass die Krähen nur noch über sie lachen und sie sich nutzlos fühlt. Amaya beschließt, Frau Vogelschreck zu helfen, wieder mutig und stark zu werden.

Amaya freute sich immer riesig auf die Tage, an denen sie mit Papa auf das große Feld ging. Zwischen dem hohen Mais war es aufregend und geheimnisvoll. Und wenn Amaya die Augen schloss, konnte sie der Natur lauschen: das Summen der Bienen, das Rascheln der Halme, das leise Knistern, wenn der Wind durch den Mais wirbelte.

Heute war es wieder soweit. Amaya war besonders früh aufgestanden. Als Papa die Treppen herunterkam, stand Amaya schon fertig angezogen an der Tür. Sie trug ihre Gummistiefel, ihre Lieblingsjacke und den kleinen Rucksack mit einer Brotdose,die Mama ihr vorbereitet hatte.
“Na du, meine kleine Frühaufsteherin”, sagte Papa, als er die letzten Treppenstufen herunter ging, “Du bist ja schon fertig. Ich beeil mich, in fünf Minuten können wir los.”
Etwas ungeduldig und voller Vorfreude tappste Amaya vor der Tür hin und her. Dann war ihr Papa endlich bereit. Wie ein kleiner Wirbelwind stürmte Amaya aus der Tür Richtung Maisfeld. 

Die Sonne stand am Morgen noch schräg über den Bäumen und blitzte durch die Blätter. Es war noch kühl, aber der Tag versprach, wunderschön zu werden.

„Heute schauen wir, wie weit die Maiskolben sind“, sagte Papa, während er den alten Holzwagen mit Eimern belud. „Und wir müssen nachsehen, ob die Vögel uns nicht zu viel stibitzen.“

„Sind die Krähen wieder da?“ fragte Amaya.

Papa nickte. „So wie’s aussieht, nehmen die Krähen Frau Vogelschreck nicht mehr ernst.“

Amaya wusste sofort, wen er meinte: Frau Vogelschreck, war die Vogelscheuche in der Mitte des Feldes. Ihr Kopf war ein mit Stroh gefüllter Kartoffelsack, für ihre Augen hatte Mama zwei glänzende schwarze Knöpfe angenäht, und auf dem Kopf trug sie einen alten Hut, der schief über die Seite hing. Eigentlich sah Frau Vogelschreck gar nicht so schrecklich aus – aber richtig freundlich sah Frau Rumpel trotzdem nie aus.

„Vielleicht ist Frau Vogelschreck müde geworden“, murmelte Amaya.

Papa lachte leise. „Vielleicht. Na komm, los geht’s.“

Gemeinsam gingen sie durch die Wege zwischen den Feldern, bis sie am Maisfeld angekommen waren. Dann schlängelten sie sich zwischen den hohen Maispflanzen hindurch. Manche waren schon fast so groß wie Papa. Amaya musste sich strecken, um zwischendurch noch über die Blätter schauen zu können. Auf dem Feld duftete es nach Erde, dem Spätsommer und der Sonne. Sie mochte diesen Geruch.

Als sie die Mitte des Feldes erreichten, blieben sie kurz stehen. Dort stand auf einem kleinen Hügel Frau Vogelschreck – etwas schief, wie immer, und mit einem Schal um den Hals, der schon ganz ausgefranst war. An den Händen trug sie zwei bunte Handschuhe und an ihrem rechten Arm war schon etwas Stroh aus dem Ärmel gerutscht.

Amaya schaute sie lange an.

„Sie sieht heute ganz traurig aus“, bemerkte sie leise.

Papa legte eine Hand auf ihre Schulter. „Vielleicht braucht sie mal wieder einen neuen Schal. Ich hol noch die Handsense aus dem Schuppen. Willst du mich begleiten?“

“Ich warte hier bei Frau Vogelschreck. Vielleicht ist sie dann weniger traurig!”

Papa lächelte: „Ein Versuch ist es wert. Aber nicht weit weggehen, ja? Ich bin gleich zurück.“

Sie setzte sich auf einen flachen Stein, der neben Frau Vogelschreck lag und beobachtete die Halme im Wind. Der Mais rauschte, ganz leise, wie das Meer im Urlaub. Ab und zu hörte sie das Krah, Krah der Krähen aus der Ferne, und sah einige von ihnen über das Feld fliegen.

Damit sich Frau Vogelschreck nicht so alleine fühlte, hielt Amaya ihre Hand fest, während sie die Landschaft beobachtete.
“Damit du dich nicht so alleine fühlst”, flüsterte sie der Vogelscheuche leise zu.
Dann – ganz plötzlich – wurde alles still. Kein Wind, kein Vogel, kein Rascheln, war zu hören. Nur Amayas Atem – und ein kitzliges Kribbeln in ihrem Bauch. Sie schaute sich um.

Frau Vogelschreck hatte sich bewegt.

Nicht viel – nur ein Zucken in der Hand und ein leichtes Neigen des Kopfes. Amaya hielt den Atem an.

„Du hast mich gesehen“, sagte eine Stimme. Sie klang kratzig und tief – aber nicht böse. Eher… vorsichtig und zurückhaltend.

Amaya blinzelte.

„Warst du das?“ fragte sie und blickte Frau Vogelschreck an.

Die Vogelscheuche sah sie an – wirklich an. Sie blinzelte mit ihren Knopfaugen, die in dem Licht der Sonne schimmerten. Der schiefe, traurige Mund war nun ein echtes Lächeln.

„Hallo Amaya, ich bin Frau Vogelschreck, aber das weißt du ja schon. Aber du darfst auch gerne Tina zu mir sagen, das ist mein Vorname. Den habe ich mir selbst ausgedacht, der Name ist schön, nicht wahr?“

Amaya stand langsam auf. Ihr Herz pochte, aber nicht vor Angst, sondern voller Neugier. Und vielleicht war sie auch ein kleines bisschen erstaunt.

„Hallo Frau Vogelschreck … ich meine Tina”, sagte Amaya mit einem Grinsen. “Ich dachte, du bist nur aus Stroh und alten Sachen.“

„Das bin ich auch“, sagte Frau Vogelschreck. „Aber ich bin mehr als das. Ich bin die Hüterin des Feldes. Oder… ich war es mal.“

Frau Vogelschreck ließ den Kopf sinken. Dabei rutschte der alte Hut noch ein Stück tiefer in ihr Gesicht.

„Früher habe ich das Feld noch vor den Krähen beschützt. Jetzt lachen sie nur noch über mich. Sie landen auf meinen Schultern, zupfen an meinem Schal und tanzen mir auf der Nase rum. Ich bin nutzlos geworden.“

Amaya trat näher. Ganz vorsichtig. „Vielleicht brauchst du einfach etwas Neues. Etwas Buntes, das flattert und leuchtet und knistert.“

Frau Vogelschreck hob langsam den Blick. „Meinst du?“

Amaya nickte. „Ich habe da eine Idee.“

Amaya rannte zurück zum Rand des Feldes. Ihre Gummistiefel platschten durch kleine Pfützen vom letzten Regen, und ihr Herz klopfte schnell – nicht weil sie außer Atem war, sondern vor lauter Aufregung. Fest entschlossen lief sie direkt zur alten Scheune. Denn Amaya wusste, dass in der alten Scheune noch ein paar bunte Stoffreste lagen, die Mama in einer Kiste für „irgendwann“ aufbewahrte. Es waren Stücke von Omas alter Küchenschürze, Papas altes Hemd und sogar ein paar Regenbogenbänder von Karneval darin. Was vorher nur langweilig in der Kiste lag, war jetzt wie kleine Schätze in Amayas Händen.

Dazu nahm sie noch eine rostige, aber rasselnde Blechdose, die früher einmal an der Tür gehangen hatte, und zwei Glöckchen, die mit in der Kiste lagen. Alles packte sie schnell in ihren Rucksack und lief zurück zu Frau Vogelschreck.

Die Vogelscheuche wartete still, wie vorher – doch diesmal war etwas anders. Amaya spürte es. Es war, als hielte das Feld den Atem an.

„Ich hab was mitgebracht!“, rief sie und kramte eifrig die Sachen hervor.

Zuerst knotete sie die Stoffreste an Frau Rumpels Arme. Sie flatterten im Wind wie bunte Fähnchen. Dann befestigte sie die Glöckchen an den Enden ihrer Ärmel – ganz vorsichtig, damit das Stroh nicht herausfiel. Zum Schluss band sie den alten Schal ab und ersetzte ihn durch ein Stück rot-weiß karierten Stoff, von Papas altem Hemd.

„Und das hier“, sagte Amaya und hing die Blechdose an den Stab, der aus Frau Vogelschrecks Schulter ragte, „macht ein ganz schönes, rasselndes Geräusch, wenn der Wind kommt.“

Die Vogelscheuche sah an sich herunter.

„Ich… sehe richtig bunt und schön aus“, flüsterte sie.

„Du warst vorher auch schön“, sagte Amaya. „Aber jetzt bist du mutig schön.“

Frau Vogelschreck lachte. Dabei spürte Amaya wieder das kitzelige Kribbeln in ihrem Bauch. Und plötzlich – als hätte das Feld auf genau diesen Moment gewartet – kam Wind auf. Er blies durch die Halme, ließ die Glöckchen klingen, die Stoffe flattern, und die Dose rasseln. Mit dem Wind kamen auch die Geräusche im Feld zurück. Da flogen die Krähen aus dem Feld laut kreischend in die Luft und machten sich auf und davon – nicht erschrocken, sondern vielleicht ein kleines bisschen beeindruckt.

Frau Vogelschreck stand da, ganz still – und doch voller Bewegung. Als hätte sie ihre Aufgabe und ihre Freude zurückgewonnen.

Da hörte Amaya Schritte. Papa kam durchs Feld zurück. Schnell nahm ging einen Schritt zurück – und im selben Moment wurde Frau Vogelschreck wieder ganz still. Kein Wort, kein Lächeln mehr. Nur der Wind, der spielte.

„Du warst aber fleißig“, sagte Papa, als er die Vogelscheuche sah.

„Sie hat Hilfe gebraucht“, sagte Amaya ernst.

Papa lächelte. „Dann hat sie die beste Helferin weit und breit bekommen.“

Nachdem Papa fertig war und den Mais genau geprüft hatte, ging es zurück zum Hof. Amaya drehte sich ein letztes Mal zu Frau Vogelschreck um. Amaya sagte nichts – aber dachte ganz fest: Du bist mutig und schön. Und ich vergesse dich nicht.

Und während sie mit Papa zurück zum Hof ging, hörte sie aus dem Wind noch leise das Rasseln der Blechdose und das helle Klingeln der Glöckchen. Ganz weit entfernt. Doch ganz nah bei ihr.

Die Hüterin des Gemüsegartens

Bilderbuch ab 3 Jahren über Gemüse, Natur & Garten. Kinderbuch voller Magie, Abenteuer und Wissen über Gemüse und Gartenarbeit.

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