Die Unterwasserwelt
Darum geht's
Zum Frühlingsbeginn steht bei Mika und Lilli mit der Familie ein Tag voller Ausmisten an. Alle helfen mit und sortieren fleißig. Für die Geschwister wird das schnell zu langweilig, weshalb Lilli vorschlägt, auf Omas Dachboden zu gehen. Dort wartet schon der magische Reisekoffer auf die beiden. Doch heute scheint Mika ganz alleine zu reisen, als der Koffer ihn mit einem Strudel aus Licht und Wasserblasen umhüllt …
Der Nachmittag vor dem Frühlingsbeginn ist immer ein geschäftiger Vormittag bei Oma Annabell. Es ist „Ausmisttag“ – und die ganze Familie hilft mit! Mama und Papa sortieren Bücher und alte Gläser aus, während Mika und Lilli Spielsachen in Kartons packen.
„Puh, ist das anstrengend!“, stöhnt Mika und verschließt einen riesigen Karton mit alten Kuscheltieren. „Vielleicht gibts oben auf dem Dachboden ja auch was zum Entrümpeln?“
Lilli grinst ihren Bruder an. „Wir könnten ja mal nachsehen…“
Sofort wirft Mama ihnen einen strengen Blick zu. „Aber nur, wenn ihr wirklich weiter aufräumt! Treibt keinen Unsinn da oben, verstanden?“
„Verstanden!“, rufen die Geschwister im Chor und rennen die knarrenden Treppen zum Dachboden hinauf.
„Schau mal da hinten! Den Korb habe ich hier oben ja noch nie gesehen!“ Mika zerrt einen bunten Korb aus Seegras hervor. Darin befindet sich ein großes Lexikon. Auf dem Einband steht in goldener Schrift: „Magisches Kenia – Die Schönheit Afrikas“.
Der Junge klappt das Buch auf und beginnt zu blättern. „Wow, in Kenia leben echt viele Tiere: Löwen, Elefanten und … glitzernde Fische in Unterwasserhöhlen!“
Da entdeckt Lilli eine verstaubte Taucherbrille im Korb. „Hier, Mika! Fang!“
Kaum hat Mika Buch und Taucherbrille auf dem Schoß liegen, beginnt der magische Reisekoffer neben ihm zu summen und sich langsam zu öffnen. Aus seinem Inneren steigen kleine, schimmernde Wasserblasen auf. Sie tanzen fröhlich durch den Raum und landen eine nach der anderen auf Mika.
„Ähm, Lilli … was passiert hier?“, fragt dieser erstaunt und betrachtet die spiralförmigen Bläschen.
Lilli klatscht aufgeregt in die Hände. „Der Koffer will dir zeigen, dass das nächste magische Abenteuer diesmal nur für dich ist!“
Mika strahlt von einem Ohr zum anderen und stülpt sich die Schwimmbrille über. „Dann tauche ich wohl mal ins Unbekannte ab …“
„… und ich werde wohl weiter beim Ausmisten helfen“, antwortet Lilli schmollend, aber lächelt dabei. „Du musst mir alles erzählen, wenn du zurück bist, versprochen?“
„Versprochen!“, sagt Mika und drückt seine kleine Schwester fest an sich. Dann legt er seine Hand auf den magischen Koffer und spricht die magischen Worte:
Koffer auf,
der Zauber beginnt,
führ’ MICH dorthin,
wo Abenteuer sind!
Lilli staunt nicht schlecht, als Mika in einem Wirbel aus Licht und Wasserblasen vor ihren Augen verschwindet.
Mika findet sich kurz darauf in einem kleinen Dorf am Meer in Kenia wieder. Vor ihm steht ein älterer Mann mit stark gebräunter Haut und strahlend-grünen Augen.
„Hallo! Ich bin Professor Nyala, Meeresbiologe und Unterwasserarchäologe. Ich packe gerade meine sieben Sachen für einen aufregenden Tauchgang vor der Küste zusammen. Du siehst aus, als ob du an einer Unterwasser-Expedition interessiert wärst!“ Professor Nyala deutet auf Mikas Taucherbrille. „Das kleine Boot dort hinten ist meines. Heute erkunde ich eine geheimnisvolle Höhle. Möchtest du mitkommen?“
„Ja, gerne!“, ruft Mika begeistert und folgt dem Professor zum Steg.
Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche, während die beiden Abenteurer ihre Ausrüstung aufs Boot laden und den Motor starten.
„Du erforschst heute mit mir eine der ältesten Unterwasserhöhlen der Region“, erklärt Professor Nyala dem interessierten Jungen. „Es gibt seit einiger Zeit Gerüchte über seltsame Lichtspiele in dieser Höhle. Die Einheimischen glauben, dass die Schönheits- und Wassergöttin Oshun etwas damit zu tun haben könnte.“
Mika lässt seine Hand lässig durchs Wasser gleiten. Seine wilden Locken wehen im Wind. „Vielleicht finden wir da unten ja etwas, das noch nie jemand vor uns entdeckt hat!“
Professor Nyala lacht. „Vielleicht. Aber denk immer daran: Sicherheit geht vor! Folge stets meinen Handzeichen und bleibe dicht bei mir!“
Mika nickt und checkt noch ein letztes Mal seine Taucherausrüstung. Dann zeigt er dem Professor das „Okay“-Handzeichen, damit dieser weiß, dass er startklar ist.
Die beiden tauchen so tief, dass der Grundschüler fast den Meeresboden berühren kann. Nach einigen Minuten schwimmen sie durch einen schmalen Spalt in einer Felswand. Gleich dahinter eröffnet sich ihnen eine riesige Unterwasserhöhle, die von hunderten kleinen Lichtstrahlen hell erleuchtet wird.
Mika schwebt umher und ist fasziniert von den flimmernden Mustern, die das Wasser und die Löcher in der Felswand gemeinsam zu erzeugen scheinen. Aber halt! Die Lichtstrahlen sind gar keine Lichtstrahlen … es sind hunderte glitzernde Fische! Genau wie im alten Lexikon auf Omas Dachboden!
Professor Nyala deutet mit einer Handbewegung an, dass Mika zu ihm kommen soll. Aus diesem neuen Winkel schwimmen die glitzernden Fische plötzlich nicht mehr ungeordnet umher. Mika sieht, wie sie als Schwarm das Bild eines alten Handspiegels formen!
Doch ein glitzernder Fisch, der das Bild des Handspiegels vervollständigen würde, fehlt.
Mika sieht sich um und entdeckt am Meeresboden etwas, das schimmert. Es ist der fehlende Glitzerfisch! Dieser hat sich scheinbar verirrt und schwimmt alleine am Grund der Höhle hin und her.
Mit vorsichtigen Bewegungen nähert sich Mika dem Fisch und bleibt dabei so ruhig wie möglich, um ihn nicht zu erschrecken. Er zeigt mit der Hand in Richtung des Schwarms und schwimmt langsam voran, um ihm den Weg zu zeigen. Der kleine Fisch beginnt sofort, Mika zu folgen.
Als auch der letzte Glitzerfisch sich dem Schwarm anschließt, ist das Bild des Handspiegels endlich vollständig. Plötzlich beginnt die Höhle leicht zu vibrieren und eine verborgene Kammer in der Felswand öffnet sich. Professor Nyala bittet Mika per Handzeichen, vorsichtig zu sein.
„Sicherheit geht vor!“, wiederholt der mutige Junge in Gedanken und bleibt dicht bei seinem Begleiter. Gemeinsam blicken sie gespannt in die geheimnisvolle Kammer.
Und darin liegt doch tatsächlich ein echter, goldener Handspiegel! Sein Rahmen ist mit Symbolen von Flüssen, Blumen und Tieren verziert. Mika starrt den Spiegel an. Er ist wirklich wunderschön! Gerade als er nach ihm greifen möchte, tippt Professor Nyala ihm auf die Schulter und deutet mit einer Handbewegung an, dass der Spiegel hier bleiben muss.
Zurück an der Oberfläche erklärt der Professor: „Dieser Spiegel ist ein Relikt, das mit der Göttin Oshun in Verbindung steht. Oshun war aber nicht nur die Göttin des Wassers und der Schönheit, sondern auch des Gleichgewichts. Ihr Spiegel ist ein Symbol dafür, wie eng alles in der Natur miteinander verbunden ist.“
Mika nickt. „Und deshalb muss der Spiegel an Ort und Stelle bleiben, oder?“
„Genau. Die Fische in der Höhle scheinen Teil eines größeren magischen Systems zu sein. Es wirkt fast so, als ob sie das Gleichgewicht zwischen Land und Meer bewahren. Wenn wir den Spiegel entfernen, könnten wir dieses Gleichgewicht stören.“
Das leuchtet Mika ein. Tief beeindruckt verabschiedet er sich von Professor Nyala und tritt seine Heimreise an.
ZACK!
WUMM!
KRRR!
Lilli liegt bereits im Bett, als Mika wieder auf Omas Dachboden landet. Sie hat die Decke bis zum Kinn gezogen und wartet gespannt auf ihren Bruder. Als sie Mika durch den Gang in sein Zimmer schleichen hört, sprintet sie neugierig zu ihm hinüber.
„Na, endlich bist du wieder da!“, murmelt sie schläfrig. „Und? Wie wars?“
„Es war so toll!“ Mika greift in seine Hosentasche und präsentiert Lilli einen Handspiegel-Magneten. „Diesen Handspiegel habe ich in Originalgröße gemeinsam mit einem Professor auf dem Meeresgrund entdeckt.“
Lillis Augen weiten sich. „Das klingt wirklich magisch. Hast du ihn mitgebracht?“
Mika schüttelt den Kopf. „Nicht alles, was wertvoll ist, sollten wir Menschen in unsere Taschen packen. Manche Dinge haben ihren festen Platz auf unserer Erde – so wie der Spiegel in der Höhle.“
Lilli nickt nachdenklich und fügt hinzu: „Vielleicht sind manche Dinge auch deshalb so besonders. Weil sie dort bleiben, wo sie hingehören.“
Gemeinsam pinnen sie den Magneten an Mikas Weltkarte und schlafen kurz danach ein.
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