
Kapitel 3: Die verschwundene Bibliothekarin
Darum geht's
Am nächsten Morgen schwören die Kinder, der Sache auf den Grund zu gehen. Als ihre Klassenkameraden auf dem Schulhof spielen, schleichen sie in die alte Schulbibliothek, in der sie nachts die Lichtgestalt gesehen haben. In einem staubigen Buch entdecken sie ein alte Ausleihliste. Darauf unterschrieben hat tatsächlich: Frau Flüster.
Am nächsten Morgen sah die Schule wieder völlig normal aus. Die anderen Schüler aus ihrer Klasse liefen durch die Flure, riefen sich gegenseitig Dinge zu und lachten über das Geschnarche in der Nacht. Doch für Ben, Lola, Kim und Tom war alles anders.
Sie saßen beim Frühstück im Klassenzimmer zusammen an einem Tisch und sahen einander immer wieder verstohlen an.
„Also…“, begann Ben leise, „ihr habt die Gestalt gesehen, oder? Nicht nur ich?“
Lola nickte heftig. „Ja, sie war da. Zwischen den Regalen. Ich… Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Sie ist einfach verschwunden, bevor wir sie richtig sehen konnten und dann tauchte sie einfach wieder auf“
„Vielleicht war es Max?“, schlug Tom vor. „Oder jemand anderes aus der Schule?“
Kim schüttelte den Kopf. „Nein. Max war mit uns unterwegs. Und das Licht… es hat sich bewegt, wie von selbst. Ich glaube… es war Frau Flüster.“
Ben lächelte geheimnisvoll. „Das denke ich auch. Wirklich. Es muss sie geben. Und wir werden es herausfinden.“
Die vier begannen, ihre Theorien zu entwickeln. Sie redeten leise, damit niemand sie hören konnte.
„Vielleicht ist sie ein Geist“, flüsterte Ben. „Oder jemand, der uns einen Streich spielen will.“
„Oder“, ergänzte Lola vorsichtig, „sie beschützt die alten Bücher. Vielleicht will sie, dass niemand sie durcheinanderbringt.“
„Oder sie liest uns Geschichten vor, nur wir können sie hören“, sagte Kim träumerisch. „Wie ein Geheimnis, das nur mutige Kinder erleben dürfen.“
Tom lachte. „Oder sie will, dass wir ein Abenteuer erleben. Ihr wisst schon, so wie in den Büchern. Wir müssen nur den Mut haben, nachzusehen.“
„Ich habe Mut!“, rief Ben. „Und wir vier gemeinsam sind unschlagbar.“
Lola grinste. „Uns bleibt keine Wahl. Wir müssen die Bibliothek tagsüber untersuchen.“
Nach dem Frühstück wurden auf dem Schulhof noch ein paar Spiele gespielt. Die vier Freunde nutzen die Gelegenheit und schlichen unbemerkt in die Bibliothek. Die Sonne schien durch die hohen Fenster, und alles wirkte ruhig und friedlich. Keine Gestalt, kein flackerndes Licht – nichts, das die Ereignisse der Nacht erklären konnte.
„Sieht alles normal aus“, murmelte Kim. „Vielleicht haben wir uns das alles eingebildet.“
„Nein“, widersprach Ben sofort. „Wir haben es gesehen. Es war da. Wir müssen nur den Beweis finden.“
Sie begannen, zwischen den Regalen nachzusehen. Die Kinder entdeckten alte Bücher über Märchen, Sagen und Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Die Seiten waren vergilbt, die Einbände staubig, und manchmal entdeckten sie kleine Notizen, die jemand in die Ränder geschrieben hatte.
„Schaut mal hier!“, rief Tom. Er hatte ein besonders dickes Buch gefunden, dessen Einband aus dunkelrotem Leder bestand. „Vielleicht steht hier etwas über Frau Flüster.“
Ben nahm das Buch vorsichtig in die Hand und schlug es auf. Zwischen den vergilbten Seiten lag eine kleine Liste. Es sah aus wie eine Ausleihliste der Bibliothek – die Namen der Kinder waren natürlich nicht darauf, aber darunter standen Namen. Wahrscheinlich von Schülern, die die Bücher ausgeliehen hatten.
„Da… seht ihr das?“, platzte es auf Ben heraus. „Ganz unten… die Unterschrift: Frau Flüster.“
Lola trat näher und beugte sich über das Buch. „Das kann nicht sein. Das ist ihr Name! Wirklich! Sie muss also … wirklich existiert haben.“
Kim nickte ernst. „Ich hab’s euch gesagt. Sie ist echt. Und sie war Bibliothekarin an dieser Schule.“
Tom staunte. „Also all die Geschichten … die Gestalt, das Licht … vielleicht wollte sie uns etwas zeigen. Oder …“ Er hielt inne und senkte die Stimme: „…uns eine Geschichte erzählen, die unsere Seelen hineinzieht.“
Den Kindern lief ein kurzer, kalter Schauer den Rücken hinunter.
Aber die Entdeckung beflügelte die Kinder auch. Sie beschlossen, das Geheimnis weiter zu erforschen.
„Wir müssen zurückkommen“, sagte Ben. „Nachts. Dann sehen wir, was wirklich passiert.“
„Aber wir müssen vorsichtig sein“, warnte Lola.“
„Kein Problem“, grinste Tom. „Wir haben uns schon die ganze Nacht überlegt, wie wir vorgehen. Wir sind bereit.“
„Und ich will Beweise sammeln“, sagte Kim ernst. „Notizen, Fotos, alles, damit wir alles nachvollziehen können.“
Ben nickte. „Genau. Wir müssen klug sein. Wir dürfen nicht in Panik geraten. Wir sind ein Team.“
„Team Frau Flüster“, flüsterte Lola augenzwinkernd.
Die anderen lachten leise, obwohl ein kleiner Schauer noch immer über ihre Rücken lief.
Als die Kinder sich schließlich auf den Weg zurück zu den anderen machten, hörten sie plötzlich ein Rascheln aus den Regalen. Alle vier erstarrten. Und dann fiel ein Buch auf den Boden und klappte sich dabei auf.
„Das war doch… nur der Wind“, flüsterte Ben.
„Nein… das war etwas anderes“, murmelte Kim.
Sie sahen sich an, und in ihren Augen spiegelte sich das gleiche Gefühl: Spannung, Angst, aber auch Abenteuerlust. Vorsichtig gingen sie auf das Buch zu. Und erstarrten erneut, als sie auf die Seite schauten, auf der sich das Buch beim Aufprall aufgeschlagen hatte.
„Der Seelenfresser“, las Ben die Überschrift vor, die in alten schnörkeligen Buchstaben über der Geschichte stand.
Tom hob das Buch auf und überflog schnell die Seiten. Er war ein schneller Leser. Seine Augen flogen über die Buchstaben, als sein Gesicht plötzlich bleich wurde.
„Sag, was steht da!“, drängte Lola.
Tom hob den Kopf und schaute seine Freude ernst an: „Da steht, dass der Seelenfresser die Seelen neugieriger Menschen mit seinen Geschichten in den Bann zieht. Wer zu lange lauscht, dessen Seele wird in seine Geschichten gezogen. Und dann gibt es kein Entkommen mehr, keinen Weg zurück. Er lässt die Seelen nur in der Nacht frei, damit auch sie Geschichten erzählen, um noch mehr Seelen für ihn zu sammeln …“
Lola nickte aufgeregt: „Genau das hat Max erzählt. Dass Frau Flüster irgendwann einfach verschwunden ist.“
„Was macht ihr schon wieder?“, ertönte eine Stimme. Die Freunde zuckten zusammen.
Max stand in der Tür der Bibliothek. „Schön, dass ihr lesen wollt, aber jetzt machen wir die Abschlussrunde auf dem Schulhof. “Kommt jetzt.“
Tom nahm noch schnell die Ausleihliste aus dem Buch, bevor er es zurück in das Regal stellte und die vier Max wieder nach draußen folgten.
Zuhause erzählten die Freunde ihren Eltern nur kleine Teile der Geschichte – nichts, das zu viel verriet. Zu aufregend wäre es, wenn jemand sonst auf die Idee käme, sie aufzuhalten.
In dieser Nacht konnten die Kinder kaum einschlafen. Sie dachten an das Buch, die Ausleihliste, die Unterschrift von Frau Flüster.
„Vielleicht hat sie uns gewählt“, murmelte Ben als er im Bett lag. „Vielleicht wollte sie, dass wir ihre Geschichten weiterleben lassen.“
Dann fielen ihm die Augen zu.
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