Theowild
Darum geht's
Oma Eichhörnchen wird jeden Tag etwas vergesslicher … nicht gerade hilfreich, wenn die Haselnüsse wieder ausgebuddelt werden sollen. Doch auf ihren Enkel Theowild ist Verlass!
Omi Eichhörnchen wurde jeden Tag etwas vergesslicher. Mal verwechselte sie die Namen ihrer Enkel, mal richtete sie am Morgen schon den köstlichsten Mittagsschmaus aus leckeren Haselnüssen und wunderte sich, dass die restliche Familie nicht zum Mittagessen kam. Und einmal war sie tatsächlich am falschen Baum hochgeklettert, und entdeckte mit Schrecken, dass ihr Kobel, ihr gemütliches Omi-Eichhörnchen-Nest, auf dem Nachbarbaum hing. Omi musste sich eingestehen, sie wurde langsam alt, aber sie war immer noch eichhörnchenschlau. Sie erzählte deshalb niemand von ihren kleinen Missgeschicken.
Der Herbst kündigte sich an. Morgens war der Nebel so zäh wie Milchsuppe, pflegte Omi zu sagen. Die Eichhörnchenkinder kannten keine Milchsuppe, aber wenn Omi das sagte, dann musste es so sein. Die Blätter verfärbten sich und fielen schon vereinzelt von den Bäumen.
Omi Eichhörnchen wusste, dass es nun höchste Zeit war, nochmals die Verstecke zu kontrollieren, wo sie gemeinsam mit den Enkeln im Spätsommer all die leckeren Haselnüsse verbuddelt hatte. Die Winter waren lang, und es war wichtig, dass man genug Vorräte eingelagert hatte.
Vorsichtig kletterte sie vom Baum und rutschte das letzte Stück den Stamm hinab. Huiii, das klappte ja noch prima. Dann hüpfte sie durchs Laub und fing an einer Stelle an, die Blätter zur Seite zu schieben.
„Hallo, ihr lieben Haselnüsschen“, kicherte sie vor sich hin. „Ihr werdet mir gut schmecken.“
Plötzlich erhob sich der Laubhaufen und eine Igelnase kam zum Vorschein.
„Sehe ich aus wie ein liebes Haselnüsschen“, brummte Herr Igel. „“Ttttt. Frechheit. Ich habe gerade ein gemütliches Nickerchen gemacht. Jetzt weckt mich schon wieder jemand. Wer ist es denn diesmal?“
„Uiuiui – Entschuldigung“, Omi Haselmaus schob verlegen ihre Finger ineinander. „Ich hab nur mein Haselnussversteck gesucht. Ich wollte Sie nicht verärgern, Herr Igel.“
Doch der Kopf von Herrn Igel war ohne ein weiteres Wort schon wieder im Laub verschwunden.
„Der hatte aber schlechte Laune.“ Omi schüttelte den Kopf. Sie lief großmutterflink über den weichen Waldboden und grub bei der großen Kiefer. Dort hatte sie im Sommer zwei Pfoten voller Haselnüsse vergraben. Doch ihre Pfötchen fühlten unter der Moosschicht nur ein rundes Loch und eine piepsige Stimme rief ängstlich: „Mama, ist das schon wieder der Fuchs, der bei uns am Eingang buddelt?“
„Rasch vom Eingang weg“, ertönte eine andere Stimme. Oje. Omi Eichhörnchen hatte wohl versehentlich in eine Mäusewohnung gegraben. Omi legte trichterförmig ihre Pfoten an den Mund und rief ins dunkle Loch: „Ich bin nur Omi Eichhörnchen. Ich tu euch nichts. Keine Gefahr.“
Dann ließ sich die alte Eichhörnchendame erschöpft ins Moos fallen. Sie schüttelte den Kopf. Nicht eine ihrer Haselnussvorräte hatte sie gefunden, nur andere Tiere gestört. Wo waren denn ihre ganzen Vorräte hin? War sie mittlerweile so vergesslich, dass sie die Verstecke nicht mehr finden konnte?Bekümmert weinte sie ein Tränchen.
Plötzlich wackelte ein Zweig direkt über ihrem Kopf und übermütig schwang sich ein Eichhörnchenkind mit einem Satz neben Omi Eichhörnchen.
„Ach, mein kleiner wilder Theo“, lächelte Omi.
Theo war ein wenig wild und wurde deshalb von allen meistens „Theowild“ genannt. Nur von Omi nicht. Omi verstand ihn. Und er verstand Omi.
Theo umarmte stürmisch seine Omi. „Du siehst taurich aus.“
Omi versuchte ein Lächeln. „Nein, es ist alles gut, mein lieber Theo. Der Wind pfeift so, und dann tränen meine alten Augen.“
Theo hob prüfend seine Eichhörnchennase und schnupperte in die Luft. „Kein Wind da. Omi, du swindelst. Aber nicht slimm, mach ich auch manchmal“, tröstete Theo seine Oma. „Ich hab dich gesucht. Ich hab eine Überhasung fö dich.“
„Oh, wie wunderbar“, lächelte die Eichhörnchengroßmutter. „Hast du mir wieder ein Bild in die Rinde geritzt?“
Theo kuschelte sich an seine Omi. „Nein. Meine Überhasung is kein Baumbild, sondern viel besser. Komm mit.“
Theo nahm Omis Pfote in seine kleine Eichhörnchenkinderpfote und versuchte Omi aus dem Moos hoch zu ziehen. Omi ließ sich hochziehen und kletterte dem kleinen, lebendigen Kerlchen nach, der schon am ersten Ast angekommen war.
Omi ärgerte sich über sich selbst, wie konnte sie nur wegen ein paar verlorener Haselnüssen den Kopf hängen lassen!
Ihr kleines Enkelkind strahlte sie an, und gemeinsam balancierten sie theowild und lachend über die dicken Äste und hangelten sich dann in Omis Kobel.
„Überhasung“, schrie Theo aufgeregt. Im Innern von Omis Nest lagen aufgetürmt und sorgfältig aneinander gereiht Haselnuss an Haselnuss.
„Guck mal. Hab ich wiedergefunden. Haben wir in Somma versteckt. Aber der Igel und die Maus haben mit mir gesimpft. Obwohl ich gar nicht wild war.“
Omi sagte nichts, nahm Theo liebevoll auf den Schoß und streichelte ihn sanft. „Mein lieber, kleiner Theo. Nur wer richtig wild ist, findet Haselnussverstecke wieder. Wusstest du das nicht?“
Dann knabberten sie genüsslich eine Haselnuss nach der anderen und kuschelten sich kichernd aneinander. Nach und nach kam der Rest der Eichhörnchenfamilie dazu. Bei Omi war es einfach am gemütlichsten. Und alle waren sich einig: seltsamerweise war Theowild bei Omi nie so wild wie sonst.
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