Tropfi vermisst seinen Freund
🎯 ab 3 Jahren
🕔 ca. 5 Minuten
✍️ von Angelina Wenzler
Darum geht's
Der Planet Traurigkeit ist grau und still. Tropfi kann die Tränen nicht mehr stoppen. Mit Tims Hilfe merkt er, dass Tränen heilen können – und dass Traurigkeit vergeht, wenn man sie zulässt und mit anderen teilt.
Tropfi wohnt auf dem tiefblauen Planeten Traurigkeit. Hier ist alles ein bisschen stiller als auf anderen Planeten. Die Häuser sind weich und rund, als wären sie aus Wassertropfen geformt. Die Fenster glitzern wie silberne Tropfen, die leise herunterkullern.
Zwischen den Wegen plätschern kleine Bäche, und wer ganz genau hinhört, kann hören, wie sie leise flüstern.
Tropfi liebt diesen Klang. Vor Allem, weil er fast jeden Tag mit seinem besten Freund verbringt. Die beiden sind unzertrennlich. Sie bauen Tropfburgen aus Matsch, springen in Regenpfützen und erzählen sich Geschichten, wenn die Regentropfen gegen die Fenster prasseln.
Sie lachen zusammen – und manchmal, wenn einer traurig ist, weinen sie auch gemeinsam. So ist es bei Tropfi und seinem Freund: Sie machen alles zusammen.
Doch eines Tages muss sein Freund fort. Ganz auf die andere Seite des Planeten.
„Das ist so weit weg“, sagt Tropfi traurig. „Fast ein ganzer Tag, bis man dort ist.“
Seitdem ist alles anders. Tropfi sitzt oft alleine auf der Bank vor seinem Haus mit dem welligen Dach. Er starrt auf den Boden, und manchmal kullert ihm eine kleine Träne über die Wange, die er schnell wegwischt. Selbst die anderen Bewohner, die ihn aufmuntern wollen, nimmt er kaum wahr.
„Ich mag heute nicht rausgehen“, murmelt Tropfi eines Morgens und zieht sich die Decke über den Kopf.
Doch irgendwann steht er doch auf, stapft langsam hinaus und setzt sich auf seine Lieblingsbank. Der Himmel über dem Planeten ist an diesem Tag besonders tiefblau.
Aus der Ferne hört man das leise Tropfen der Wasserfälle. Tropfi seufzt.
Er bemerkt gar nicht, wie sich hoch oben am Himmel etwas bewegt. Ein silberner Punkt kommt näher, wird größer und heller – bis man das leise Rauschen einer Rakete hört. Langsam sinkt sie herab und landet nicht weit von Tropfi entfernt.
Eine kleine Staubwolke steigt auf, als sich die Tür öffnet. Heraus tritt ein Junge in einem blauen Raumanzug mit roten Handschuhen und Stiefeln. Auf seinem Kopf glänzt ein Helm, durch den man ein freundliches Gesicht sehen kann. Der Junge sieht sich neugierig um, dann geht er langsam auf Tropfi zu.
Tropfi hebt den Kopf und blinzelt.
Der Junge setzt sich neben ihn auf die Bank.
„Hallo, ich bin Tim. Was ist denn los?“, fragt er ganz sanft.
„Hallo, ich bin Tropfi. Ich vermisse meinen Freund und kann einfach nicht aufhören zu weinen“, erzählt das Trauermännchen.
„Das passiert mir auch, wenn ich Mama vermisse“, sagt Tim einfühlsam.
Tropfi schnieft und wischt sich die Nase mit einem Taschentuch.
„Was hilft dir, wenn du so traurig bist?“, fragt er leise.
„Mir hilft, darüber zu sprechen, eine Umarmung und eine kleine Erinnerung von der Person, die ich vermisse“, sagt Tim.
Er greift in seine Hosentasche und holt ein gefaltetes Stück Papier hervor. „Ich habe ein Bild von meiner Familie gemalt. So sind sie immer ein Stück bei mir, egal wo ich bin.“
Tropfi sieht das Bild an. Die bunten Striche wirken warm und fröhlich, wie die Sonnenstrahlen nach dem Regen.
„Ich dachte, dass Männchen nicht weinen dürfen“, seufzt Tropfi ganz verzweifelt.
„Es ist okay, zu weinen“, sagt Tim sanft. „Es zeigt dir, dass etwas fehlt oder dir jemand wichtig ist“.“
Tropfi schweigt einen Moment. Dann nickt er langsam. Tim lächelt und legt seine Arme um ihn. Eine warme, lange Umarmung.
Tropfi spürt, wie sein Herz ruhig schlägt – und wie sich etwas in ihm löst.
Als Tim wenig später wieder in seine Rakete steigt, winkt Tropfi ihm nach.
Die Rakete hebt leise ab, schwebt durch die Regenwolkenl und wird kleiner und kleiner, bis sie nur noch wie ein funkelnder Lichtpunkt im blauen Himmel zu sehen ist.
Tropfi bleibt noch eine Weile sitzen. Die Traurigkeit ist nicht verschwunden – aber sie fühlt sich anders an. Weicher und weniger schwer in seinem Herzen.
Er denkt an seinen Freund und an all die schönen Momente, die sie geteilt haben.
Dann steht er auf, atmet tief durch und geht zu den anderen Bewohnern.
„Vielleicht kann ich ihnen erzählen, wie ich mich fühle“, denkt er.
Und als er das tut, merkt er, dass sein Herz wieder ein kleines bisschen leichter wird.
Die anderen hören ihm aufmerksam zu. Einige nicken, andere legen ihm sanft die Hand auf die Schulter. Und plötzlich spürt Tropfi etwas Neues: Verbundenheit.
Am Ende des Tages sitzt Tropfi wieder auf seiner Bank. Diesmal nicht allein, sondern mit den anderen Bewohnern. Gemeinsam schauen sie in den Himmel, wo die Tropfen wie Sterne glitzern.
Tropfi lächelt. Es ist kein lautes, breites Lächeln – eher ein kleines, warmes, das direkt aus seinem Herzen kommt. Denn jetzt weiß er: Traurigkeit darf da sein – aber sie bleibt nicht für immer. Sie kommt und geht wie Regenwolken. Es ist okay, meine Gefühle zu zeigen, und ich darf mich anderen anvertrauen.
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Im Weltraum der Gefühle – Tim und die Gefühlsplaneten
Gefühlvolles Kinderbuch ab 3 Jahren über eine Reise zu Planeten voller Emotionen. Einfühlsames Weltraumabenteuer über den Umgang mit Gefühlen wie Angst, Wut, Freude und Liebe.

