So ein doofer Unfall
Ab 6 Jahre | Ca. 12 Minuten | Mirke Eggers
Darum geht's
Zum Geburtstag der Zwillinge Johannes und Mina macht die Mutter mit den beiden Kindern einen Ausflug in den nahegelgenen Wald. Als Mina auf einen Baum klettert, verletzt sie sich jedoch. Mina muss sich untersuchen lassen. Erst hat das Mädchen etwas Angst, doch dann stellt sich das Krankenhaus als ein spannender Ort heraus.
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Zum Geburtstag hat sich die Mutter von den Zwillingen Johannes und Minerva, kurz Mina genannt, einen Ausflug gewünscht. Am Sonntag ist gutes Wetter vorausgesagt, also macht sich die Familie auf den Weg. Im nahegelegenen Wald wollen sie picknicken. Nach einem kurzen Spaziergang finden sie einen hübschen Platz. Schnell ist die bunte Decke ausgebreitet und die drei machen es sich bequem.
„Oh, wie lecker, Mama. Erdbeeren und Cracker“, ruft Mina, als ihre Mutter den Rucksack ausräumt. Johannes fischt seine Lieblingskekse, eine Flasche Apfelsaftschorle und drei Becher heraus.
„Hier sind auch noch Käsespieße, die ihr so gerne mögt.“ Die Mutter hält eine Dose mit den Spießen hoch. Zu guter Letzt zaubert sie noch drei Überraschungseier aus dem Rucksack und legt ihn dann beiseite.
Nachdem die vielen Leckereien fast aufgegessen sind, flitzen die Kinder los. Sie wollen die Umgebung erkunden. Die Mutter nimmt sich ein Buch und beginnt zu lesen. Schließlich legt sie sich gemütlich in die warme Frühlingssonne und ist auch schon eingedöst.
„Mama! Mama!“ Johannes kommt zum Picknickplatz gelaufen. Seine Stimme zittert. Seine dunkelbraunen Augen sind ängstlich aufgerissen.
Erschrocken richtet sich die Mutter auf. Johannes stürzt in ihre Arme und berichtet: „Mina ist von einem Baum gefallen. Ich glaube, sie hat sich ganz doll weh getan.“ Er ist ganz außer Atem. „Los! Komm! Wir müssen ihr schnell helfen.“
Johannes führt seine Mutter zu der Stelle, an der er seine Schwester zurückgelassen hat. Die beiden müssen nicht lange suchen, da können sie ein Wimmern hören.
„Mina! Minerva, Schatz, wir sind hier“, ruft die Mutter.
Durch das Dickicht kann sie ihre Tochter zusammengekauert auf dem weichen Waldboden sitzen sehen. Die langen, hellbraunen Haare verdecken das Gesicht des Mädchens. Die Mutter macht sich große Sorgen, das etwas Schlimmes passiert ist. Bei ihrer Tochter angekommen, nimmt sie sie ganz vorsichtig in die Arme.
„Au!“ Das Mädchen zuckt zusammen. „Das tut so weh.“ Minerva presst ihren rechten Arm an den Oberkörper. Mit der linken Hand hält sie ihn fest.
„Oh weh, das sieht gar nicht gut aus“, sagt die Mutter. „Ich denke, das müssen wir im Krankenhaus anschauen lassen.“
Jetzt fängt Minerva erst recht an zu weinen. Johannes schluchzt auch laut auf.
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„Es tut mir leid. Ich habe Mina geärgert. Ich hab‘ gesagt, dass sie sich nicht traut, auf den Baum zu klettern.“
„Ach Johannes, komm mal her. Mina wäre sicher auch ohne dein Zutun rauf geklettert, du kennst doch unseren Wirbelwind.“ Die Mutter versucht zu trösten. „Und meine liebe Mina, ich verstehe deine Angst. Mir machen Krankenhäuser auch immer ein ungutes Gefühl. Dennoch ist es wichtig, dass wir kontrollieren lassen, was mit deinem Arm passiert ist. Ich verspreche dir, dass ich nicht von deiner Seite weiche.“
Später sitzen Minerva und ihre Mutter in der Notaufnahme des Kinderkrankenhauses. Der Vater der Kinder, der nicht mehr mit der Familie zusammenwohnt, hat Johannes abgeholt.
„Hier warten ja viele Kinder“, staunt Mina. Sie hat nicht mehr solch große Angst, drückt sich aber trotzdem eng an ihre Mutter. Sie müssen ganz schön lange warten, bis Mina kurz aufgerufen wird.
„Minerva Köster, bitte!“
Eine ältere Frau, in ein blaues Hemd und eine blaue Hose gekleidet, wirkt genervt und bringt Mina und ihre Mutter schnell zu einem Behandlungszimmer.
„Du musst Minerva sein“, begrüßt sie hier freundlich eine Ärztin. Die sitzt hinter einem großen Schreibtisch, hat eine bunte Brille auf der zierlichen Nase und sieht sehr nett aus. Auf einem Namensschild steht: Frau von Barfus. Das findet Mina, die in der ersten Klasse ist und schon sehr gut lesen kann, witzig.
„Heißt du wirklich so?“, will sie wissen.
„Ja. Lustig, oder? Aber guck, ich habe Schuhe an. Schön, nicht?“ Frau von Barfus hält ihre Beine unter dem Schreibtisch hoch und wackelt mit den Füßen. Die grünen Turnschuhe mit orangefarbenen Streifen leuchten richtig.
„Also, lass mich mal sehen. Setz dich bitte hier auf die schmale Trage.“ Die Ärztin kommt hinter dem Tisch hervor und setzt sich neben das Mädchen. „Es tut mir leid, das kann weh tun“, kündigt sie an, als sie den rechten Arm behutsam anhebt, um ihn genauer zu untersuchen. „Du sagst sofort Stopp, wenn es sehr doof ist. Dann machen wir eine Pause“, verspricht sie.
Minerva ist super tapfer, nur einmal muss sie kurz aufstöhnen.
„Sollen wir anhalten?“, fragt Frau von Barfus. Minerva schüttelt den Kopf und beißt die Zähne zusammen.
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„Fertig!“ Nach der Untersuchung stellt Frau von Barfus fest: „Ich bin beeindruckt. Du hast das richtig, richtig gut gemacht.“ Sie schaut die Mutter von Minerva an. „Sie haben eine tolle Tochter. Wirklich tapfer, dieses Mädchen.“ Sie wendet sich wieder an Mina.
„Ich bin mir sicher, dass du dir das Schlüsselbein gebrochen hast. Das ist der Knochen, der hier entlang läuft. Schau.“ Die Ärztin nimmt Minervas linke Hand und hilft ihr, sich selbst den heilen Knochen, oben auf der linken Schulter, abzutasten.
„Und, kannst du es fühlen?“, fragt sie.
„Ja, der geht da ganz rüber“, staunt Mina.
„Stimmt. Damit wir feststellen können, wo genau dein Knochen kaputt gegangen ist, muss der Arm geröntgt werden. Das ist ähnlich wie Fotos machen. Nur von deinem Körperinneren. Meinst du, du schaffst das noch?“
„Ja, klar. Ich bin ja kein Weichei.“ Mit dem Ausdruck ärgert Johannes Minerva immer, wenn ihr irgendwelche Spinnen in die Quere kommen. Vor denen hat sie nämlich riesige Angst.
„Also gut, dann komm mal mit.“ Frau von Barfus schmunzelt.
Sie führt Minerva mit ihrer Mutter in einen anderen Raum. Dort müssen sie wieder eine längere Zeit warten. Endlich holt sie ein junger Mann ab.
„Hallo, ich bin Herr Fröhlich. Du kannst gerne Tom zu mir sagen“, stellt er sich vor.
Tom begleitet Minerva und ihre Mutter quer über den langen Flur und öffnet ihnen die Tür zu einer kleinen Umkleidekabine. „Hier musst du dir den Pulli und dein T-Shirt oder Unterhemd ausziehen. Ich hole dich gleich von der anderen Seite ab.“ Tom zeigt auf eine zweite Tür.
Allein schafft Minerva es nicht, ihre Sachen auszuziehen. Deshalb quetscht sich ihre Mutter mit in die enge Kabine hinein und hilft.
Es klopft. „Darf ich aufmachen?“, hören sie Toms Stimme.
„Ja, wir sind soweit“, antwortet die Mutter für Mina.
„Wenn du mit mir mitkommen magst, kann deine Mama warten.“ Tom erklärt weiter: „Auch wenn die Röntgenstrahlen so gering wie möglich sind, ist es besser, wenn Menschen, die keine Untersuchung brauchen, den Strahlen fernbleiben.“
Minas Mutter schaut ihre Tochter an. „Ich kann auch dabei sein. Wirklich! Du entscheidest das, meine Süße.“ Kräftig nickend betont sie ihre Aussage. „Ich hab dir versprochen, nicht von deiner Seite zu weichen.“
Mina jedoch fühlt sich inzwischen sicher. Die Angst ist verflogen.
„Mama, du kannst hier warten.“
„Bist du dir ganz sicher?“
„Keine Sorge, Mama. Ich bin doch kein Baby.“
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Anschließend folgt Minerva Tom in einen schummrigen Raum. Interessiert schaut sie sich um. Von der Zimmerdecke in der Mitte hängt ein großer Apparat. Darunter steht so etwas wie ein Tisch, mit halb metallischer und halb durchsichtiger Tischplatte. In einer Ecke steht ein zweiter Apparat. Dieser ist mit einem Giraffenmuster bemalt und hat einen Schwenkarm. Wie ein Kran auf der Baustelle. Merkwürdig.
„Liebe Minerva, du musst dich hier auf diese Untersuchungsliege legen.“ Tom zeigt auf den komischen Tisch. Als Minerva sich zurecht geruckelt hat, sagt er: „Diese schwere Bleischürze lege ich auf deinen Bauch. Die Strahlen erreichen somit nur deine Schulter und der Rest deines Körpers ist gut geschützt.“ Ruhig erklärt er jeden weiteren Schritt.
„Deinen Arm lege ich hierhin, … ja, … noch ein bisschen mehr im Winkel, … geht das?“
Minerva nickt, sie spürt kaum einen Schmerz. Viel zu spannend ist das alles um sie herum.
„Bitte dreh‘ deinen Kopf nach links. Und nun zieh‘ ich diesen großen Apparat ganz dicht zu dir herunter, … alles klar. Bitte ganz still liegenbleiben.“ Tom zeigt auf ein kleines Fenster. „Ich geh in diesen Nebenraum, siehst du? Dort mache ich die Fotos und danach hast du es geschafft. Kann es losgehen?“
„Ja, kann losgehen“, wiederholt Minerva kleinlaut. Jetzt wird ihr doch ein bisschen mulmig.
Die Röntgenuntersuchung ist beendet, Minerva sitzt ein weiteres Mal mit ihrer Mutter im Wartezimmer.
„Wäre schön, wenn wir nicht wieder ewig auf Frau von Barfus warten müssen“, hofft die Mutter.
„Nein, müssen Sie nicht.“ Die Ärztin kommt gerade um die Ecke und lacht. „Kommen Sie, ich nehme Sie beide direkt mit in mein Zimmer.“
Minervas Mutter wird ein bisschen rot. „Ähm, ich wollte nicht unhöflich sein…“
„Ach, lassen Sie, das versteh ich gut. Ich könnte mir auch Schöneres vorstellen, als mit meiner Tochter den halben Sonntag in der Kinder-Ambulanz zu verbringen.“ Die Ärztin guckt erklärend in das immer noch volle Wartezimmer. „Sie sehen ja, was hier los ist.“
„So, ich habe mir deine Röntgenbilder bereits angesehen.“ Frau von Barfus zeigt auf einen Computerbildschirm. Dort sind zwei schwarz-weiße Fotos zu sehen. „Dein Schlüsselbein ist genau hier, mit einem ziemlich geraden Bruch kaputt gegangen.“ Sie zeigt mit einem Bleistift auf eine Stelle des Knochens. Inzwischen kann auch Minerva erkennen, dass auf dem Bild ein Teil von einem Skelett zu sehen ist.
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„Du hast bestimmt schon andere Kinder mit einem eingegipsten Arm gesehen, oder?“
„Ja, meine Freundin Pauline hatte sich im Kindergarten den Arm gebrochen. Die hatte einen blauen Gips. Darf ich einen roten haben?“ Minerva ist ganz aufgeregt.
„Tja, genau das wollte ich dir gerade erklären. Bei einem Schlüsselbeinbruch können wir keinen Gips anlegen. Ein Gipsverband muss entweder rundherum gelegt werden. Oder es gibt eine Gipsschiene. Das bedeutet, die Bruchstelle muss an einem möglichst geraden Körperteil sein. Arm oder Bein. Bei dir ist es allerdings an der Schulter, also obendrauf auf einer Kurve.“ Frau von Barfus streicht Minerva über die gesunde Schulter und zeigt die Rundung. „Deswegen bekommst du einen Rucksackverband. Lustiger Name, oder?“
Die Ärztin bittet ihre Kollegin im Nebenzimmer: „Susanne, legst du Minerva noch eine Schlinge an? Damit sie auf dem Heimweg ihren Arm ablegen kann.“ Sie wendet sich wieder an das Mädchen. „Für den Rucksackverband, den du mindestens drei Wochen tragen musst, bekommst du ein Rezept. Das kannst du morgen mit deiner Mama im Sanitätshaus gegen die Schlinge eintauschen. Dort wird dir auch gezeigt, wie du den Rucksackverband anlegen musst.“ Sie schaut Minervas Mutter an und fügt hinzu: „Nächste Woche sollten Sie dann einmal zur Kontrolle zu Ihrer Kinderärztin oder zu Ihrem Kinderarzt gehen.“
„Also, liebe Minerva“, verabschiedet sich Frau von Barfus. „Ich wünsche dir schnell gute Besserung, damit du in vier Wochen auch deine Ostereier sammeln kannst.“ Lächelnd zwinkert sie Mina zu.
Bevor sie aus der Tür heraus ist, um dem nächsten Kind zu helfen, sagt Mina noch schnell: „Dankeschön, Frau von … “, sie muss kichern, „Barfus.“
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