Die Geschichte von Ritter Naselang

Benjamin Jäger

Frederik und Isolde suchen ihren Hund Schlabber, der beim Spielen abgehauen ist. Dabei entdecken sie eine kleine Burg und machen Bekanntschaft mit Ritter Naselang.

Nach Alter: Ab 4-6 Jahre

Nach Lesedauer: Ca. 20 Minuten

Burg am Horizont einer Landschaft
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Nicht weit von einem kleinen Fluss entfernt, stand auf einem kleinen Hügel eine kleine Burg, in der der alte Ritter Naselang lebte. Früher hausten dort viele Ritter und sogar eine Königsfamilie. Doch diese Zeit war schon lange vorbei und nun war nur noch Ritter Naselang in der Burg zuhause. Einst als Naselang noch ein junger Bursche war, zogen die anderen großen Ritter mit der Königsfamilie los, um eine wunderschöne Prinzessin für den Prinzen Schmalzlocke zu finden. Naselang musste als jüngster Ritter in der Burg bleiben und dort Wache halten, doch die Ritter und die Königsfamilie waren nie zurückgekehrt.

Seitdem war er alleine geblieben und schickte alle fort, die sich auf ihrer Reise zur Burg verirrten. Naselang mochte keine vorbeikommenden Wanderer und noch weniger mochte er Besuch. Er scheute sich vor Unterhaltungen und solch lächerlichen Höflichkeiten wie Hände schütteln. Zum Glück kam es selten vor, dass jemand an der Burg vorbei kam. Schließlich war er ein starker und furchtloser Ritter, der Ungeheuer und Eindringlinge bekämpfte…aber auch das kam selten vor. Außer vereinzelte Verirrte wegzuschicken hatte er nämlich nicht viel zu tun.

Und so waren viele Jahre vergangen, in denen Naselang auf dem Burgturm stand und Ausschau nach ungebetenen Gästen hielt, während seine Rüstung langsam begann sich mit rötlich schimmerndem Rost zu überziehen. Mit der Zeit hatte sich der Rost so weit über die Rüstung verbreitet, dass Naselang damit nicht mehr die unzähligen steilen Stufen zur Spitze des Burgturms hinauf steigen konnte. 

So kam es, dass Naselang sich jeden Morgen in die Rüstung hinein zwang und unter quietschendem Geächzte zum riesigen Eingangstor trampelte. Dort öffnete er das kleine Ausguck-Fenster, kniff ein Auge zusammen und versuchte angestrengt durch den Helm seiner Rüstung etwas von dem Geschehen außerhalb der Burgmauern zu erkennen. Obwohl Ritter Naselang nie viel zu tun hatte, nahm er doch seine Aufgabe als Wachposten sehr ernst. Von früh bis spät blieb er am Tor stehen und richtete seine ganze Konzentration auf die Beobachtung der Umgebung. Lediglich zur Mittagszeit genehmigte er sich eine kleine Auszeit. Dafür ging er durch die versteckte Hintertür auf der Rückseite der Burg in den kleinen Garten. Dort pflückte er sich ein paar Blätter frischen Pfefferminz und kochte sich einen Tee auf, den er gemütlich in seiner Pause in der großen Halle auf seinem Sessel trank. So ging es Tag ein Tag aus.

Auf der anderen Seite des kleinen Flusses lag ein idyllisches Dörfchen, tief im Wald versteckt. Hier lebten auch der kleine Frederik und seine Schwester Isolde mit ihrer Familie. Gerne gingen sie in den Wald hinaus zum Spielen, stets mit ihrem treuen Begleiter dem Hund Schlabber. Heute sind die beiden Geschwister besonders früh aufgestanden, um zusammen mit Schlabber raus in den Wald spielen zu gehen. Sie wollen nämlich am Fluss spielen und dort eine Bude bauen. Langsam näherte es sich der Mittagszeit und die Geschwister hatten aus großen schweren Ästen schon die Stützen für ihre Bude aufgestellt, als aus dem Gebüsch plötzlich ein Hase hervor sprang. 

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Schlabber bellte sofort los und zischte hinter dem Hasen her. Der sprang mit einem großen Satz über den Fluss und verschwand im Feld auf der anderen Seite. Schlabber zögerte keine Sekunde und tat es dem Hasen gleich. Isolde schrie aus vollem Hals: “Nein Schlabber, bleib hier!” Aber mit einem Sprung über den Fluss war auch Schlabber sogleich im Feld verschwunden. “Schlabber, komm zurück! Schlaaabber!”, riefen die beiden Geschwister. Mit völlig entsetzten Gesichtern standen sie beide da und riefen nach ihrem Hund. Doch es tat sich nichts und im Feld rührte sich nicht einer der hohen Grashalme.  

“Was sollen wir jetzt nur tun? Den Fluss zu überqueren haben uns Mama und Papa eigentlich verboten. Aber wir können Schlabber doch nicht einfach auf der anderen Seite alleine lassen!” Isolde sah die Verzweiflung in Frederiks Gesicht und begann zu überlegen. Sie wusste, dass es verboten war den Fluss zu überqueren. Aber ihre Eltern würden es gar nicht mitbekommen, wenn sie abends wieder zurück sein würden. Mama hat ihnen Essen eingepackt, damit sie den ganzen Tag an der Bude bauen könnten und es war bald erst Mittagszeit. Genug Zeit um Schlabber zurück zu holen und pünktlich zu Hause zu sein, beschloss Isolde. “Wir lassen Schlabber nicht im Stich! Wir holen ihn zurück und sind noch vor dem Abendessen wieder zu Hause. Bist du dabei?”, sprach Isolde und schaute Frederik mit großen fragenden Augen an. Leise und mit ängstlicher Stimme antwortete Frederik: “Aber ist das nicht gefährlich?”. Isolte erwiderte: ” Wir sind doch zwei mutige Abenteurer, die jeden Morgen am Fluss spielen, ganz nah an der anderen Seite. Etwas Gefährliches ist mir hier noch nie begegnet.”. ” Okay, dann lass uns Schlabber retten!”, sagte Frederik und zeigte mit seinem Finger mutig in Richtung Feld! “.

Frederik und Isolde gingen durchs Feld und schon nach kurzer Zeit waren sie an dessen Ende angelangt. Von Schlabber fehlte leider jede Spur. Das Einzige was ringsherum zu sehen war, war ein Hügel der sich vor ihnen auftat. Die Sonne war mittlerweile hinter Wolken verschwunden und der Hügel war in Nebel gehüllt. Als sie den Hügel hinauf gingen, fiel ihnen auf halbem Wege etwas ins Auge. Es war ein Turm zu sehen. “Was ist denn das?”, fragte Frederik erstaunt. “Eine Turmspitze”, sagte Isolde ganz aufgeregt. Die Geschwister liefen voller Aufregung schneller den Hügel hinauf. 

Sie trauten ihren Augen kaum, als sie oben angekommen waren. “Eine Ritterburg, wie aus Papas Geschichten.”, platze es aus Frederik voller Aufregung heraus, wobei er seinen Mund vor Staunen so weit aufriss, dass er sich fast verschluckte. “Pscht!”, zischte Isolde und hielt Frederick die Hand vor seinen weit offenen Mund. “Vorsichtig, duck dich und wir laufen einmal um die Burg herum.” Die Geschwister schlichen in sicherer Entfernung um die Burg herum. Die Mauern der Burg sahen sehr alt aus und waren ringsherum mit einer dichten dunkelgrünen Schicht Efeu bewachsen. “Sieht so aus als wäre dort niemand mehr”, stellte Frederik fest.  

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Als sie fast zur Hälfte um die Burg gelaufen waren, hörten sie etwas. “Wuff Wrr Wuff!”. “Schlabber”, riefen die Geschwister gleichzeitig. Beide stellten sich sofort auf Zehenspitzen um mehr zu sehen. Auf der Rückseite der Burg sahen sie Schlabber dann. Hinter einem kleinen Zaun zwischen vielen Büschen und anderen Pflanzen war Schlabber immer noch dabei, dem Hasen hinterher zu jagen. Schnell rannten beide in die Richtung der Burg, dorthin, wo es wie ein kleiner Garten aussah. 

Doch als sie an dem kleinen Zaun angekommen waren, war Schlabber weder zu sehen, noch zu hören. “Wo ist er hin?”, fragte Frederik mit dem gleichen verzweifelten Blick wie am Fluss. Isolde öffnete das Tor am Zaun mit einem leisen Quietschen und sagte: “Schnell, lass uns suchen.”. Die Geschwister gingen in den Garten und suchten die schmalen Wege zwischen all den Pflanzen ab. “Hier sind Spuren”, flüsterte Isolde und winkte Frederik herbei. Zusammen folgten sie den Pfotenabdrücken, welche zur Mauer der Burg führten und dort aufhörten. “Wo sind sie hin?”, bemerkte Frederik entgeistert. “Hier sind noch andere Spuren. Die sehen aus wie von einem Riesen”, sagte Isolde etwas ängstlich. Beide schauten auf die Spur, die um eine kleine mit Efeu bedeckte Ecke ging. “Eine versteckte Tür!”, sagte Frederik.

Obwohl beide etwas Angst hatten, gingen sie durch die Tür in das Innere der Burg. Hier war es kalt und dunkel. Nach ein paar Schritten war durch eine Tür ein Licht zu erkennen und ein warmer Luftzug traf die Gesichter der Geschwister. Vorsichtig schlichen sie zu der Tür. Diese stand offen und ein großer Raum tat sich dahinter auf. 

Langsam steckten sie ihre Köpfe durch den offenen Spalt und blickten suchend nach Schlabber. Der saß vor einem Sessel. “Da sitzt ein Ungeheuer!” brachte Frederik bibbernd heraus. “Ich glaube es schläft, wir müssen Schlabber holen!” Auf Zehenspitzen tapste Isolde in den Raum und näherte sich dem Ungeheuer, dessen Panzer im flackernden Licht des Feuers aus dem Kamin glänzte. “komm her Schlabber!” flüsterte Frederik, der Isolde hinterher geschlichen kam. Schlabber rührte sich nicht.

“Das ist kein Ungeheuer. Siehst du die Nase, die aus dem Panzer hinaus ragt?”, flüsterte Isolde, riss die Augen auf und griff nach Schlabber. “Nein Schlabber!”. Doch es war in diesem Moment schon zu spät und Schlabber tat was Schlabber eben tut. Er hopste auf den Sessel und schlabberte an der Nase, die aus der Rüstung ragte. Denn es war kein Ungeheuer sondern Ritter Naselang, der in seiner Teepause eingeschlafen war.

Etwas warmes und feuchtes kitzelte Naselang an seiner großen Nase. War er etwa während seines Wachdienstes eingeschlafen? Er öffnete die Augen und was war das: “Eindringlinge in den Mauern! “, schrie Naselang als er den Hund und die beiden Kinder sah. “Ergreift die Waffen und vertreibt die Feinde!”, brüllte es aus tiefer Kehle und Ritter Naselang sprang auf, während er sein Schwert in die Höhe riss. Er wollte gerade los stürmen, doch anstatt voranzukommen fiel er unter lautem Gequietsche und blechernen Geschepper bäuchlings auf den Boden der großen Halle. Frederik und Isolde hatten zunächst voller Angst laut geschrien und Schlabber laut geknurrt.

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Doch als der Ritter umgefallen war und nicht mehr hochkam, fingen sie laut an zu lachen. Die rostige Rüstung hatte dem Losstürmen von Ritter Hakennase nicht stand gehalten, verkeilte und verzog sich so schnell, dass er sofort umfiel. So lag er da und konnte sich kaum noch bewegen, wie ein Käfer der auf dem Rücken lag und nicht wieder auf die Beine kam. “Hört auf zu lachen und helft mir lieber!”, sagte Naselang ganz eingeschnappt. Die Geschwister waren immer noch am kichern: “Nur wenn du lieb zu uns bist”, sagte Isolde. “Und uns deine Burg zeigst.”, ergänzte Frederik und schaute Isolde mit seinen großen Augen an. “Und uns deine Burg zeigst!”, wiederholte Isolde. “Keinesfalls!”, erwiderte Naselang. Die Geschwister schauten sich mit einem Augenzwinkern an und drehten sich um: “Komm Schlabber, wir gehen!”. Naselang zappelte immer noch auf dem Boden und gab nach: “Na gut, abgemacht. Ich zeige euch die Burg.” 

Frederik und Isolde halfen Ritter Naselang also dabei, wieder auf die Beine zu kommen und die verzogene, rostige Rüstung auszuziehen. Jetzt sah er schon gar nicht mehr so ungeheuerlich aus wie mit dem Blechpanzer. “Wo sind denn eigentlich alle anderen hier?”, fragte Frederik ganz verdutzt, als er sich in dem großen Saal umschaute. Ritter Naselang wurde stutzig. Er hatte noch nie jemandem erzählt, was damals geschehen war. Aber die beiden Geschwister hatten ihm geholfen und irgendwie mochte er sie. Dieses Gefühl hatte er schon seit 20 Jahren nicht mehr gehabt. Und so begann Naselang zu erzählen…von den alten Zeiten, als hier noch prunkvolle Ritter und die Königsfamilie lebten, wie die Ritter gegen Ungeheuer kämpften und dass in der Burg immer etwas los gewesen war.

Naselang erzählte und erzählte, schwelgte in seinen Erinnerungen und bemerkte, wie schön es war von den alten Zeiten zu erzählen. “Aber wo sind denn jetzt alle hin?”, fragte Frederik nach langer Zeit erneut. Der Blick von Naselang wurde wieder trauriger und so erzählte er wie er alle das letzte Mal gesehen hatte und niemand zu ihm in die Burg zurückgekehrt war. Das machte auch die Geschwister traurig und sie nahmen Naselang in den Arm, wobei ihm eine dicke Ritterträne die Wange hinunter kullerte. Als Isolde dabei aus dem Fenster schaute, fiel ihr plötzlich auf, dass es schon dunkel geworden war. “Wir müssen nach Hause!” “Aber wir haben doch noch gar nicht die Burg gesehen.”, merkte Frederik enttäuscht an. “Ich bringe euch nach Hause. Aber ihr könnt mich auch gerne wieder besuchen und ich zeige euch den Rest der Burg!” Naselang hatte es gesagt: “besuchen”. Eigentlich hasste er doch Besuch, doch es fühlte sich gut an das zu sagen und zu wissen, dass jemand wieder kommen würde. ” Au jaaaa”, riefen Frederik und Isolde begeistert und Hakennase lächelte sie an.  

Gemeinsam schafften es die drei zusammen mit Ritter Naselang noch rechtzeitig nach Hause. Naselang versprach den Eltern, er würde sie immer sicher zur Burg und zurück bringen. So konnten die Geschwister häufig zu Besuch kommen und mit Naselang Zeit verbringen. Oft spielten sie auch gemeinsam und Naselang zeigte ihnen, was es heißt ein richtiger Ritter zu sein. Jetzt war Naselang nicht mehr alleine und hasste es auch nicht mehr Besuch zu haben. Und wenn sich mal wieder jemand auf seinem Weg verirrte und zu der Burg kam, öffnete Naselang das Tor und lud jeden, der vorbeikam, zu einem Pfefferminztee ein.

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Rezensionen zu dieser Geschichte

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Tolle Geschichte und eine Frage

5. August 2024

Schöne und spannende Geschichte!

Ich lese fast jeden Abend ein paar lieben Leuten über Whatsapp eine Geschichte vor und diese Seite hier ist eine Fundgrube toller Geschichten.

Gestern war Deine Geschichte vom Ritter Naselang dran und eine kleine Zuhörerin fragte mich, warum der Ritter denn Naselang heißt. Ich sagte ihr, er hieße so, weil er vermutlich eine lange Nase hat. Sie gab sich mit dieser Antwort aber nicht zufrieden und möchte es von dem Autor wissen. Also frage ich hier. Kannst Du mir sagen, warum der Ritter so heißt?

Gruß

Sven

Sven

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