Hexenliebe und Tiergewusel

Eine Kindergeschichte von Sarah Gutmann

Elli wollte mit ihren Fähigkeiten als Hexe mehr als nur großartige Torten zaubern. Daher entschloss sie sich, Tierärztin zu werden und ihre Magie zum Heilen einzusetzen. Was man in einer Tierarztpraxis so alles erlebt…

Nach Alter: Ab 6 Jahre

Nach Lesedauer: Ca. 13 Minuten

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Es war einmal eine Hexe, welche mit ihrem treuen Begleiter Linux in einem kleinen Haus am Wald wohnte. Jetzt dürft ihr euch aber keine alte Hexe mit grauen Haaren, krummem Buckel, Hakennase und Warze am Kinn vorstellen. Nein! Die Hexe hatte eine sehr sympathische Gestalt. Sie war vielleicht einen Meter und fünfzig groß, ein klein bisschen pummelig und hatte ein strahlend schönes Gesicht, das von hunderten Sommersprossen geschmückt wurde. Umrandet wurde ihr Gesicht von roten, wilden Locken und ihre grünen Augen strahlten freundlich. Sie war keine griesgrämige, alte Hexe, wie die russische Hexe Baba Jaga, sondern eine freundliche Hexe, die die Natur und Tiere liebte. Ihr äußerliches Alter lag bei etwa dreißig Jahren, dabei hatte sie schon einhundertsechsundsechzig Sommer hinter sich. Sie nannte sich Elli. Aber eigentlich hieß sie Eleonora. Doch sie fand, dass dies nicht mehr zeitgerecht war. Elli trug Jeans und Pullover und fiel so auch kein bisschen auf.

Ihr treuer Begleiter Linux war schwierig zu beschreiben, denn er änderte je nach Laune seine Gestalt. Im Haus zeigte er sich meist als schwarzer Kater, der um ihre Beine schlich. Auf den Wegen durch die Stadt folgte er Elli als großer schwarzer Hund oder flog als schwarzer Rabe neben ihr her. Er konnte in Gedanken mit Elli sprechen und er war ihr bester Freund.

Ursprünglich war Linux ein kleines undefinierbares Holzspielzeugtier gewesen, das Elli von ihren Eltern zum sechsten Geburtstag bekommen hatte. Damals wusste noch niemand, dass Elli eine Hexe war. Ihre Eltern waren ganz normale Menschen gewesen. Elli liebte das kleine Holzspielzeug und verbrachte viel Zeit mit ihm. Sie trug es überall mit sich herum, spielte mit ihm, sang ihm vor und es durfte sogar in ihrem Bett schlafen und dann Stück für Stück wurde das Holzspielzeug lebendig. Es wuchsen ihm schwarze Haare und jeden Tag konnte es sich ein bisschen mehr bewegen. Durch die innige Beziehung zwischen Elli und ihrem Spielzeug übertrug sie ihre noch nicht ausgereiften Hexenkräfte auf das kleine Holzspielzeug. Dieses nahm es gierig auf und wurde lebendig. Und nicht nur das, es konnte sich seine Gestalt aussuchen. Auch Ellis Eltern blieb die Verwandlung des kleinen Spielzeugs, das von jetzt an immer „Linux“ von Elli gerufen wurde, nicht unentdeckt. Ab diesem Zeitpunkt wussten sie, dass Elli eine Hexe war und Magie in sich trug. Nun waren ihre Eltern gescheite Leute und hatten keine Angst vor Magie, wie andere zu dieser Zeit. Sie freuten sich für ihre Tochter und schickten Elli auf eine Schule, auf der sie alles Wichtige für ihr weiteres Leben lernte.

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Elli hatte in ihrem Leben schon einige Berufe gehabt: Erst war sie Heilerin gewesen und versorgte kranke und verletzte Menschen. Aber Menschen können manchmal sehr undankbar sein. Da hatte Elli deren Wunden geheilt und anschließend beschimpften sie Elli als Hexe und bezichtigten sie, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Ja, es stimmte Elli war eine Hexe, aber doch nicht mit dem Teufel im Bund – das war wirklich lächerlich. Daher arbeitete Elli lange Zeit in einer Konditorei und zauberte die wunderschönsten Torten der ganzen Gegend. Das gefiel den Leuten und Elli freute sich, dass sie die Menschen glücklich machen konnte. Allerdings hätte sie mit ihrer Magie und Hexkraft lieber sinnvollere Dinge getan und so kam es, dass sie sich wieder den heilenden Künsten zuwandte. Allerdings dieses Mal nicht für die Menschen, nein, sondern für Tiere! Sie wurde Tierärztin, denn sie liebte Tiere sowieso über alles! 

An diesem Morgen verließ Elli bereits früh ihr schönes, kleines Häuschen, denn sie wollte schon zeitig mit der Arbeit beginnen. Sie betrieb eine kleine Tierarztpraxis im nahe gelegenen Städtchen. Elli ging geradezu in dieser Arbeit auf. Leider gab es dabei aber auch Aufgaben, die sie nicht so gern verrichtete. Eine dieser Aufgaben war es, die Tiere, die sehr alt und krank waren und bei denen ihre Heilkunst nichts mehr ausrichten konnte, über die Regenbogenbrücke zu geleiten. Das fiel Elli immer sehr schwer. Sie wusste zwar, dass die Tiere in ihrem nächsten Leben jenseits der Regenbogenbrücke ein gutes Leben haben würden, aber der Schmerz ihrer Besitzer, die hier auf dieser Welt zurückblieben, war stets groß. Erst vor wenigen Tagen traf sie ein Schicksal besonders hart: Ein kleines Mädchen, namens Luise, kam mit ihrem alten, sehr kranken Meerschweinchen „Wuschel“ zu ihr. Wuschel war sehr krank. Elli gab ihr Bestes und ließ mehrere Tage heilende Energie in das Meerschweinchen fließen, aber Wuschel wurde weiter schwächer und schwächer. Es war Zeit für Wuschel diese Welt zu verlassen. Luise war furchtbar traurig, aber nickte tapfer, als Elli ihr sagte, dass sie Wuschel über die Regenbogenbrücke führen würde. Die Tränen rannen nur so über Luises Gesicht, während sie ihr Meerschweinchen zum Abschied im Arm wiegte, streichelte und küsste. Solche Momente waren auch für eine Hexe wie Elli, die schon viel erlebt hatte, immer sehr schmerzlich. 

Gerade wollten Elli und Linux gerade die Tierarztpraxis betreten, doch da stand ein schokoladenbrauner Hund vor der Tür und schleckte zur Begrüßung gleich Ellis Hand ab. Es war „Keks“ der verfressene Labrador von Frau Bäcker. 

„Wo hast du denn dein Frauchen gelassen, Keks?“, fragte sie ihn, als Frau Bäcker schon mit puterrotem Gesicht um die Ecke bog. 

Nach Atem japsend sagte diese: „Ich hätte Keks wohl nicht sagen sollen, dass wir heute noch zu Ihnen in die Tierarztpraxis müssen. Er konnte es kaum abwarten und ist schon vorgerannt. Es ist wie verhext, seitdem wir zu Ihnen in die Praxis kommen, kann Keks es immer kaum mehr abwarten zum Tierarzt zu gehen. Sie müssen wirklich besonders gute Leckerlis hier haben.“ 

Elli lachte und streichelte Keks zärtlich über den Kopf: „Hallo Frau Bäcker! Kommen Sie erstmal herein. Was führt sie denn heute zu mir?“ 

Frau Bäcker erklärte: „Wir wollten uns nur die jährliche Impfspritze für Keks abholen.“ 

Elli lächelte und bereitete dann alles für die Impfung von Keks vor. 

In Gedanken konnte sie Linux Stimme hören: Keks ist ein schlauer Hund. Er möchte lieber von dir geimpft werden, da du die Impfnadel immer mit Magie versetzt, damit der Piks nicht wehtut. Außerdem haben wir wirklich die leckersten Hundekekse der Stadt hier. 

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Elli lächelte Linux an, bevor sie sich daran machte Keks die Impfspritze zu verabreichen. Nach einem Plausch mit Frau Bäcker und etwa zehn Hundekeksen für Keks später, wollte Elli gerade beide nach draußen bringen, als es an der Tür Sturm klingelte. Schnell sperrte Elli auf. Vor ihr stand ein Mann mit einer Katze auf dem Arm. Die rostrote Katze hing leblos in den Armen des Mannes. 

Dieser harschte Elli an: „Wird ja mal Zeit, dass hier jemand kommt!“ 

Elli winkte den Mann mit seiner Katze herein. Der Mann legte die Katze auf dem Behandlungstisch ab. Sie rührte sich kaum, nur ganz schwach hob und senkte sich der Brustkorb. 

„Was ist passiert?“, fragte Elli den Mann. 

„Ach, das Mistvieh ist mir unters Auto gelaufen, als ich rückwärts vom Hof fahren wollte.“ 

Elli schluckte. Hatte sie das richtig gehört? 

Sie hörte Linux in ihrem Kopf: Das Mistvieh? Und er hat seine eigene Katze überfahren? Das ist ja ein netter Vertreter der Gattung Mensch. 

Elli ließ sich nichts anmerken. Vielleicht stand der Mann einfach auch ein wenig unter Schock. 

Während sie die Katze untersuchte, fragte sie: „Wie heißt die Kleine denn?“ 

Der Mann zuckte mit den Schultern: „Katze. Ich nenne sie nur Katze. Hab sie mir letztes Frühjahr von meinem Schwager andrehen lassen. Er meinte, sie würde mir die Mäuse vom Hof fern halten.“ 

Da fiel Elli jetzt auch so schnell nichts dazu ein. 

„Was ist nun mit der Katze?“, riss die Stimme des Mannes sie aus den Gedanken. 

Elli räusperte sich: „Nun, ihre Katze hat es leider schlimm erwischt. Einige Knochen sind gebrochen und sie bekommt nur schwer Luft, vielleicht hat sie auch noch innere Blutungen. Sie muss einige Tage hier bleiben, damit ich sie versorgen kann.“ 

„Nein, das kommt nicht in Frage!“, fuhr der Mann ihr dazwischen. „Ich werde doch keine Unmengen an Geld für das Tier rauswerfen. Da hol ich mir doch besser eine neue Katze vom Bauern aus dem Nachbardorf. Der hat immer viele.“ 

Elli bekam große Augen. 

„Aber hören Sie doch! So kann ihre Katze nicht bleiben. Sie hat starke Schmerzen!“, versuchte sie den Mann zum Einlenken zu bringen. 

Natürlich hatte Elli schon während der Untersuchung heilende Magie in die verletzte Katze fließen lassen und ihr die Schmerzen erleichtert. Das musste der Mann ja aber nicht wissen. 

„Na und? So kann ich sie nicht gebrauchen! Nicht, dass sie besonders gut war im Mäusefangen, aber so taugt sie natürlich zu gar nichts mehr. Entsorgen Sie sie bitte für mich.“ 

ENTSORGEN SIE SIE BITTE FÜR MICH? Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt? 

Hörte Elli noch Linux Stimme in ihrem Kopf, doch Elli sah bereits rot! 

Das konnte ja nun wirklich nicht wahr sein! Was für ein Vollidiot! Elli war wütend. Sie starrte den Mann böse an und mit einer lässigen Handbewegung hexte sie dem Mann einen furchtbar juckenden Ausschlag an den Hals. Dieser spürte wohl, dass irgendetwas gerade ganz und gar nicht in Ordnung war. Selbst so ein Volltrottel, wie dieses menschliche Exemplar, merkte es, wenn ihn ein Hexenfluch traf. Er begann sich am Hals zu jucken und die Haut verfärbte sich schnell rot. Elli starrte ihn weiter böse an. Dem Mann war sichtlich unwohl und so wich er zurück und verließ fluchtartig die Praxis. 

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Als er weg war, beruhigte Elli sich langsam wieder und wendete sich dem kleinen Geschöpf auf ihrem Behandlungstisch zu. Das arme Ding hatte es schlimm erwischt, aber nichts, was sie nicht heilen konnte. Allerdings würde dies viel Kraft kosten. Daher packte Elli kurzer Hand die Katze in einen Korb, schloss die Praxis für den Rest des Tages und machte sich mit Linux und der Katze auf den Heimweg. 

Als sie gedankenverloren um die nächste Ecke bog, stolperte sie fast über ein paar Kinderbeine. Diese gehörten Luise, welche auf der untersten Stufe ihres Hauseingangs saß und die Beine von sich gestreckt hatte. 

„Mensch, Luise! Ich wäre beinahe über dich gestolpert.“ 

Traurig sah Luise zu Elli auf. 

„Das tut mir leid. Das wollte ich nicht“, sagte sie kleinlaut. 

Als Elli die traurigen Kinderaugen sah, wurde ihr schwer ums Herz. 

„Ich weiß nur so gar nichts mit mir anzufangen, seitdem Wuschel nicht mehr bei mir ist.“ 

Elli nickte wissend und dann kam ihr eine Idee. „Weißt du was, Luise? Ich habe hier eine schwer verletzte Katze, die dringend Pflege und Liebe bräuchte. Meinst du, du könntest mir vielleicht ein bisschen dabei helfen?“ 

Luises Blick klärte sich etwas auf. „Ja, gerne.“ 

Elli öffnete den Korb. Die Katze hob etwas den Kopf, ihr schien es dank Ellis Magie schon ein wenig besser zu gehen. Luise streichelte ihr vorsichtig den Kopf. Sofort fing die Katze an zu schnurren. 

„Wie heißt sie denn?“, fragte Luise. 

„Sie hat noch keinen Namen. Wenn du möchtest darfst du ihr einen geben“, antwortete Elli. 

Luise nickte und überlegte. „Sie hat dieselbe Farbe wie Wuschel… Ich glaube WUSEL wäre ein schöner Name.“ 

Die Katze stupste Luise zur Bestätigung mit dem Kopf gegen die Hand. Elli lächelte. Sie spürte, dass die Beiden einen guten Draht zueinander hatten. 

„Ich nehme Wusel jetzt mit zu mir und gebe ihr Medizin und sie muss sich ausruhen. Wenn du magst, kannst du sie morgen besuchen kommen.“ 

Luise nickte und wirkte schon viel fröhlicher, beide verabschiedeten sich und Elli ging weiter. 

In ihren Gedanken hörte sie Linux Stimme: Geschickt eingefädelt, Elli. In ein paar Wochen hätten wir sowieso ein neues Zuhause für die Katze finden müssen und so hilfst du Luise auch noch über ihren Kummer hinweg. 

Elli streichelte über Linux Kopf. „Wir werden sehen, was die Zeit bringt, Linux. Aber so können wir doch zwei tapferen Geschöpfen in einer schweren Zeit etwas helfen, nicht wahr?“ 

Linus antwortete: Da hast du wohl Recht meine großherzige Lieblingshexe. 

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