Logo zum Kinderbuch "Drachenmut", ein Vorlesebuch ab 7 Jahren über Drachen, Freundschaft und mentale Gesundheit von Ines Gölß

Kapitel 2: Marmeladeecken

🎯 ab 7 Jahren

🕔 ca. 9 Minuten

📚 aus dem E-Book: Drachenmut

Darum geht's

Als Ben nach der Schule vor der Bäckerei steht und das Drachenschild beobachtet, fällt auf einmal ein goldener Schlüssel aus dem Maul des Drachen direkt in seine Hand. Während er Frau Feuerfleck beim Backen von Marmeladeecken hilft, versucht er herauszufinden, was es mit diesem Drachen auf sich hat.

Nach der Schule begleitete Ben Pia zum Bus. Sie wohnte ein bisschen außerhalb der Stadt und musste zwei Stationen weit fahren.  

»Wollen wir am Wochenende gemeinsam etwas unternehmen?«, fragte Ben, bevor sie in den Bus einstieg. 

»Leider nein, ich fahre mit meiner Mutter übers Wochenende zu ihrem neuen Freund. Der hat ein Haus auf dem Land. Ich würde viel lieber mit dir zusammen sein. Der Neue von meiner Mam interessiert mich nämlich überhaupt nicht«, erklärte Pia und verzog genervt ihr Gesicht. 

»Das kann ich mir gut vorstellen«, brummte Ben.  

Pia stieg in den Bus und winkte ihrem Freund. Ben grüßte mit hängendem Kopf zurück. Ein ganzes Wochenende ohne Pia war schrecklich. Plötzlich hatte er es eilig nach Hause zu kommen. Er wollte zum grünen Drachen. 

Nach zehn Minuten stand er unter ihm und starrte hinauf. Da! Da war es wieder! Er hatte ihm zugezwinkert. Wow! Wie kann das sein?

Und dann passierte etwas Unglaubliches: der goldene Schlüssel, den der Drache im Maul hielt, fiel auf einmal in Bens Hand. Noch ganz verdattert hörte er jemanden seinen Namen rufen.  

»Ben«, drang es zu ihm durch. Erschrocken drehte er sich zum Eingang der Bäckerei.   

»Was ist los mit dir? Was starrst du da hinauf?«, wollte Frau Feuerfleck wissen. 

Ben zeigte nach oben und stotterte: »D-der D Drache h-hat m-mir zu-g-gezwinkert.«  

»Komm rein«, sagte Frau Feuerfleck und zog ihn sanft am Arm in den Laden. »Setz dich erst mal.« 

Lukas, der Bäcker, stand hinter dem Verkaufstisch. Er war der jüngere Bruder von Frau Feuerfleck. »Hallo Ben, mein Freund.« 

Ben nickte ihm nur zu. Er war immer noch ganz aus dem Häuschen. Gedankenverloren drehte er den Schlüssel in seiner Hand. Er fühlte sich glatt und kalt an. Ben saß an einem  von zwei kleinen Tischen in dem winzigen Verkaufsraum.  

Es roch nach Kaffee. Ben liebte diesen Geruch. Hinter dem Glas der Verkaufstheke befanden sich die herrlichen Kuchen, Torten und Plunder. Auf dem Tresen in einem Ständer lagen bunte Schokoladentafeln, auf denen stand:  

Herzlichen Glückwunsch oder Alles Gute. Rechts an der Wand sah er ein schmales Regal. Dort entdeckte Ben mit Bändern geschmückte Marmeladegläser. Weiter unten waren verschiedene Süßigkeiten: Lollis und Gummizeugs und so was. 

»Der Drache hat ihm zugezwinkert«, sagte Frau Feuerfleck zu Lukas.  

»Jaja, das musste ja so kommen«, murmelte Lukas leise. 

Aber Ben hatte es gehört. »Was? Was musste so kommen?« Ben sprang von seinem Stuhl auf. Frau Feuerfleck drückte ihn sanft auf seinen Platz zurück. 

Dann entdeckte sie den kleinen goldenen Schlüssel in Bens Hand. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Ben starrte zurück und fing zu stottern an. »I-ich k-kann nichts d-dafür. Der Schlüssel ist einfach aus dem Maul des Drachen gefallen. Direkt in meine Hand.« 

Frau Feuerfleck setzte sich. »Schon gut mein Junge.« Ohne einen Blick von ihm abzuwenden, bat sie ihren Bruder: »Lukas, bitte bring Ben eine Schale mit Suppe.« 

»Was hat es mit dem Drachen und dem Schlüssel auf sich?«, wollte Ben wissen. 

»Das wirst du bald herausfinden«, zwinkerte Frau Feuerfleck ihm zu. »Trage den Schlüssel von nun an immer bei dir«, fügte sie geheimnisvoll hinzu. 

Ben hatte so viele Fragen, aber da brachte Lukas die heiße Suppe. Frisch gebackenes Brot in Scheiben geschnitten, stellte er in einem Körbchen daneben.

»Iss jetzt«, befahl Frau Feuerfleck. »Danach backen wir Marmeladeecken. Deine Mama kommt erst um drei Uhr von der Arbeit. So lange bleibst du einfach bei mir. Ich kann deine Hilfe gut gebrauchen, denn Lukas hat jetzt frei.« 

Ben schlürfte seine Suppe. »Ich darf echt mithelfen?«, fragte er schmatzend und strahlte übers ganze Gesicht.  

»Komm dann nach hinten, wenn du fertig bist. Und nimm dein Geschirr mit«, bestimmte Frau Feuerfleck. 

Die Tür zur Bäckerei öffnete sich und ein Klingeln ertönte. Ach du Schreck!  

Herr Zornig trat ein und setzte sich an den anderen freien Tisch. Er betrachtete Ben kurz,  sagte aber kein Wort des Grußes. Nur seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Ben blieben  die Worte im Hals stecken. Kein Guten Tag kam ihm über die Lippen. Er fühlte sich auf einmal schrecklich unwohl. Schnell verschlang er die Suppe, nahm seine Schale und das Körbchen und trollte sich nach hinten. Bloß weg von diesem Griesgram. 

Frau Feuerfleck kam ihm schon entgegen und begrüßte Herrn Zornig freundlich. 

»Wie immer, Herr Zornig?«, hörte Ben sie fragen. Wahrscheinlich nickte sein Lehrer nur, denn Ben hörte ihn nicht antworten. 

Er stellte das Geschirr in das Abwaschbecken und sah Frau Feuerfleck zu, wie sie geschickt an der Kaffeemaschine hantierte. Ben reckte seinen Hals und blickte über die Verkaufstheke. Er beobachtete Frau Feuerfleck, wie sie ein Tablett mit einer Tasse Kaffee mit viel Milch, eine Gemüsesuppe und frisches Brot vor Herrn Zornig abstellte. Freundlich lächelte der Lehrer sie an. Frau Feuerfleck erwiderte das Lächeln liebvoll. 

Aha, dachte Ben. Herr Zornig war also nicht nur ein Sauertopf. 

Kurze Zeit später kam Frau Feuerfleck zu Ben und erklärte ihm, was zu tun sei. Der Arbeitstisch befand sich in der Nähe der Verkaufstheke.

Ben reckte wieder seinen Hals und schaute zu Herrn Zornig. Der Lehrer erblickte ihn und Ben sah schnell weg. Er wusch sich die Hände und band sich eine Schürze um. 

»Also …«, begann Frau Feuerfleck. »Mach den Quark auf und gib ihn in die Schüssel.« Sie stellte Mehl, Butter und Salz vor ihm auf den Tisch. ihn. Ben durfte alles abwiegen und  einen Teig daraus kneten. Er war sich ein wenig unsicher, ob er alles richtig machte. 

»Du machst das sehr gut, Ben. Gib noch ein bisschen mehr Mehl dazu, wenn der Teig zu  klebrig ist. Und mache das mit Freude und sei mit deinen Gedanken nur hier, bei dieser Arbeit. Mache alles, was du anpackst mit Freude. Ich finde, so gelingt alles viel besser.« 

Ben nickte. Da hatte Frau Feuerfleck sicher recht. Vielleicht machten dann auch Sachen  mehr Spaß, zu denen man keine große Lust hatte. Konnte ja sein! 

Dann wies Frau Feuerfleck ihn an, den Teig dünn auszurollen.  

»Aber das habe ich noch nie gemacht«, wandte er ein.

»Na und?«, sagte Frau Feuerfleck nur. Sie nickte ihm aufmunternd zu.  

Er rollte den Teig aus, schnitt ihn in Quadrate und gab auf jedes Quadrat einen Klecks Marmelade. Danach schlug er eine Ecke über die andere und drückte den Rand fest, damit die Marmelade nicht ausrann. Er musste alle Ecken auf zwei Backbleche schichten und durfte die Leckereien unter Aufsicht von Frau Feuerfleck in den Ofen schieben. 

»Das hast du richtig toll gemacht, mein Junge«, lobte sie. »Stell die Uhr hier noch auf zwanzig Minuten ein.« 

Ben grinste vor sich hin. Er war richtig stolz auf  sich und es hat so viel Spaß gemacht.

Nach zwanzig Minuten nahm Frau Feuerfleck das köstlich duftende Gebäck aus dem Ofen. Ben durfte für seine Mama und sich einige mit nach Hause nehmen.  

»Der Schlüssel …«, fing Ben noch einmal an. Doch Frau Feuerfleck legte ihm nur die Hand auf den Arm und schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. 

Von ihr würde er also nichts erfahren. Wenn nur Pia dieses Wochenende hier wäre! 

Er fühlte, dass sich etwas Besonderes ereignen würde. 

Ben verabschiedete sich von Frau Feuerfleck und auch von Herrn Zornig. Das Backen hatte ihm so viel Spaß gemacht, dass ihm die sauertöpfische Miene seines Lehrers nichts ausmachte. 

Draußen blickte er sofort zum Drachen empor. Diesmal zwinkerte er nicht.  

Hatte er sich doch alles nur eingebildet? Nein! Schnell prüfte er, ob sich der Schlüssel noch in seiner Hosentasche befand. Ja, alles da. Außerdem hätte Lukas dann nicht gesagt, dass das so kommen musste. Was hatte er wohl damit gemeint? Was hatte es mit all dem auf sich?

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