Die Traumweberin

4-8 Jahre | Ca. 7 Minuten | Heike Westendorf

Darum geht's

Paulina entscheidet sich dazu, abends noch schaukeln zu gehen. Sie schaukelt hoch, bis in die Wolken und trifft dort auf eine alte Traumweberin…

Die Traumweberin | Seite 1/4

Es ist schon dunkel und die ganze Stadt liegt friedlich da. Auch Paulina schläft, aber sie träumt schlecht. So schlecht, dass sie davon aufwacht. Müde reibt sie sich die Augen und setzt sich auf. Was für ein furchtbarer Traum. Jetzt kann sie auf keinen Fall wieder einschlafen. 

Also steht sie auf und schaut aus dem Fenster. Der Mond scheint auf die Schaukel, die ihr Papa für sie im Garten gebaut hat. Von allen ihren Spielzeugen mag sie die Schaukel am liebsten. 

Sie hat noch nie nachts geschaukelt, wenn der Mond auf den Garten scheint. Plötzlich aber hat sie große Lust dazu. Auf Zehenspitzen schleicht sie sich leise die Treppe hinunter, um ihre Eltern nicht zu wecken. Dann öffnet sie die Tür zum Garten und läuft mit nackten Füßen über das kühle Gras hin zur Schaukel. 

Schnell setzt sie sich darauf und beginnt, hin und her zu schwingen. Gar nicht so einfach, wenn man niemanden hat, der einen anschubst.  

Sie stößt sich mit den Beinen ab und wiegt den Oberkörper vor und zurück. Immer höher schaukelt sie, jetzt kann sie schon über das Dach ihres Hauses schauen. Noch ein Schwung,  jetzt kann sie schon über die ganze Stadt sehen. Sie gibt sich Mühe und schaukelt noch höher. Jetzt kann sie schon fast die Wolken berühren, die in der Dunkelheit am Himmel vorbeiziehen. 

Noch ein ganz besonders großer Schwung und schon steckt sie  mitten drin in der Wolke. Die weiche Watte kitzelt sie an der Nase. Dann schaukelt sie durch die Wolke hindurch und bekommt ganz große Augen.

Die Traumweberin | Seite 2/4

Über ihr am Himmel leuchten Tausende Sterne. Sie hält an und  steigt von der Schaukel herunter, um sich die Umgebung genauer anzusehen. Dabei sinken ihre nackten Füße in die weiche Wolke ein. Es fühlt sich an, als ob sie auf Watte läuft.  

Über ihr ertönt ein Lachen. Zwei Sternschnuppen spielen am  Himmel Fangen, schießen hierhin und dorthin und fliegen kichernd um Paulinas Kopf herum. Sie streckt die Hand aus, um sie zu erhaschen, aber die Sternschnuppen sind viel zu schnell für sie. Lachend jagen sie auf den Horizont zu. Als Paulina sich auf der Wolke umblickt, sieht sie eine Gestalt, die auf einem Schemel sitzt. Neugierig geht sie hinüber. Je näher sie kommt, desto größer wird die Gestalt. Schließlich steht sie vor ihr und schaut zu ihr hoch. Es ist eine alte Frau, mindestens so alt wie Paulinas Oma. Sie hat Falten auf der Stirn und weißes Haar, das sie am Hinterkopf hochgesteckt hat. 

„Wer bist du?“, fragt Paulina und muss den Kopf in den Nacken legen, um sie ansehen zu können. 

Die Frau blickt lächelnd auf sie herunter. 

„Dasselbe könnte ich dich auch fragen, kleines Menschenkind“, sagt sie. 

„Ich bin Paulina und ich hatte einen schlechten Traum“, sagt sie. „Ich konnte nicht mehr schlafen und habe deshalb geschaukelt.“ 

Die alte Frau nickt verständnisvoll. 

„Ich bin Frau Stella“, sagt sie. 

„Was ist das für ein Ding, Frau Stella?“, fragt Paulina und deutet auf das hölzerne Gerüst, vor dem die Frau sitzt. Sie hat ein Stück Holz in der Hand und webt einen glitzernden Faden durch andere glitzernde Fäden hindurch.

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„Das ist ein Traumwebstuhl“, sagt Frau Stella. „Was soll das denn sein?“ Von so etwas hat Paulina noch nie gehört. 

Frau Stella nimmt den Faden in die Hand, beugt sich zu Paulina herunter und zeigt ihn ihr. Jetzt erkennt sie, dass er aus Tausenden kleinen Sternchen besteht. 

„Ich sammle den Sternenstaub vom Himmelzelt“, sagt Frau Stella und deutet auf die blinkenden Sterne am Firmament,  „und webe daraus Träume.“ 

„Was für Träume?“, fragt Paulina. 

„Schöne Träume, für Kinder wie dich“, sagt Frau Stella. „Und webst du auch böse Träume?“, fragt Paulina weiter. „Nein, böse Träume webe ich nicht. Ich webe nur friedliche Träume, damit die Kinder im Schlaf lächeln.“ 

„So einen hätte ich auch gerne“, sagt Paulina. Frau Stella webt weiter, während sie mit ihr spricht. „Möchtest du gerne einen schönen Traum mitnehmen, Paulina? Dieser ist fast fertig.“ 

Paulina nickt eifrig. 

Frau Stella webt die Traumdecke fertig und fängt dann eine der juchzenden Sternschnuppen, die gerade vorbei fliegt, um sie in die Decke mit einzuweben. Sofort glitzert die Traumdecke noch mehr als vorher und ein helles Lachen ertönt. 

Dann verknotet Frau Stella die unteren beiden Enden ihres  Sternenstaubfadens und löst die Decke vorsichtig vom Webstuhl. Suchend blickt sie sich um.

„Am besten legst du dich dort vorne auf die kleine Wolke“, sagt sie und Paulina läuft hinüber und kuschelt sich hinein. Die Wolke ist wirklich traumhaft weich, wie das Kissen in ihrem Bett zu Hause.

Die Traumweberin | Seite 4/4

Frau Stella beugt sich über sie und deckt sie mit der Traumdecke zu. Sorgfältig stopft sie die Enden so um Paulina fest, dass nur noch ihr Gesicht herausschaut. So wohl hat Paulina sich lange nicht gefühlt. 

„Das ist der schönste Traum, den du dir denken kannst“, sagt Frau Stella und gibt ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn. 

„Träum schön, Paulina“, sagt sie, aber Paulina sind schon die Augen zugefallen und der Traum beginnt. Frau Stella sieht noch, wie sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet. 

„Bring sie sicher nach Hause“, flüstert sie der Wolke zu und setzt sich dann wieder an ihren Traumwebstuhl. 

Die kleine Wolke löst sich aus der großen Wolkendecke und schwebt ganz langsam mit Paulina hinunter in Paulinas Stadt, über Paulinas Straße, zu Paulinas Haus mit dem Garten, in dem Paulinas Schaukel steht. Schließlich landet sie genau über Paulinas Bett.  

Da löst sich die Wolke auf und Paulina sinkt mit ihrer Traumdecke sanft hinein. Sie kuschelt sich in ihr Kissen und lächelt zufrieden. Und die Traumdecke glitzert im Mondlicht, als der Sternenstaub sie den schönsten Traum träumen lässt, den sie jemals hatte.

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