Kapitel 3: Das arme Schwein
Darum geht's
Gerade der Freiheit entkommen, findet sich der geniale Affe mitsamt dem traurigen Mondbären erneut gefangen – diesmal in einem dunklen, überfüllten Schweinestall. Und jetzt ist auch noch ihr einziger Ausweg, der magische Knopf, verloren gegangen.
Aber der Affe und der Bär sind nicht in der Freiheit gelandet, sondern in einem Raum, der aussieht wie ein Käfig, nur größer. In dem Käfigraum ist es, abgesehen von wenigen Lichtstrahlen, die durch die Oberlichten dringen, dunkel und muffig. Es ist eng. Denn sie sind dicht an dicht gedrängt mit anderen Tieren.
„Wo zum Affengaffen sind wir hier?“ Die Tiere, zwischen denen sie eingequetscht sind, lassen ihnen keine Möglichkeit, sich zu drehen. Mit zusammengekniffenen Augen kann der Affe sie schließlich als Schweine identifizieren. Kurz hält er sich die Nase zu, lässt es aber gleich wieder bleiben. Er will nicht unhöflich wirken. „Arme Schweine sind das“, denkt er. „Das war nicht geplant“, flüstert er dem Mondbären zu.
Der brummt nur: „rrr“.
Der Affe kann sich vorstellen, was der Bär damit sagen will und gibt ihm insgeheim Recht. Wie konnten die Sonnenstrahlen sie hier hinbringen, wo nicht einmal Tageslicht einfällt?
Der Bär stöhnt: „Ich bekomme keine Luft. Alles ist nur schlimmer geworden.“
„Halte durch und keine Panik, Kumpel! Ich bring uns hier raus. Wir wollen schließlich weg. Das hier kann nicht das richtige WEG sein,“ will der Affe ihn beschwichtigen und versucht den Knopf zu drücken, um die Sonnenenergie zu aktivieren.
Aber ein Schwein rempelt ihn an und der Knopf fällt zu Boden. Immerhin gibt es hier kein Stroh, stellt der Affe fest. Es wird also kein – Suche die Nadel im Heuhaufen – Spiel.
Doch was er stattdessen sieht, beunruhigt ihn mehr. Er lässt einen kleinen Schrei los. Im Boden gibt es Spalten. „Voll der Spaltenboden. Was ist, wenn der Knopf hineingefallen ist, zwischen all die Schweinekacke“, denkt er und will sich das gar nicht genauer vorstellen.
Währenddessen klagt der Bär: „Ich hätte bleiben sollen, wo ich immer schon gewesen bin, seit über zwanzig Jahren. Wäre ich doch allein geblieben.“
Der Affe will dem Bären nicht sagen, dass er den Knopf verloren hat. Es würde ihn nur beunruhigen. Stattdessen tätschelt er ihm aufmunternd die Schulter: „Die hier sind wohl gern zusammen. Kann doch kuschelig sein.“
„Traurig ist es hier“, brummt der Bär nur.
„Vertrau mir! Wir sind noch nicht weg, noch nicht annähernd dort, wo ich in meinem Helmraum schon gewesen bin.“ Während er spricht, sucht er unauffällig mit den Augen immer wieder den Boden ab.
„Ist was?“ fragt der Bär.
„Nein … neeeeiin. Ich denke gerade, vielleicht bleiben wir auch einfach hier. Na, was sagst du? Hier ist es warm und kuschelig und wir können viele, viele Freunde finden …“ Wenn er den Knopf nicht mehr findet und sie nicht mehr hier rauskommen, will er den Bären wenigstens davon überzeugen, dass es hier gar nicht so schlecht ist.
Plötzlich ertönt ein lautes Quietschen und fast wie in Trance bewegen sich die Schweine Richtung Stalltür, die sich langsam öffnet. Sonnenstrahlen fallen herein. So sind sie also hier reingekommen, stellt der Affe fest. Das Grunzen der Schweine wird leiser und der Bär und der Affe hören Musik. „Schöne Musik gibt es hier.“
„Traurig hört sich das an,“ brummt der Bär wieder. Der Bär sieht den Schweinen hinterher und wendet sich an den Affen: „Die gehen raus. Sollen wir hinterher?“
Bevor der Affe antworten kann, meldet sich ein Schwein zu Wort, das neben ihnen auf dem Boden liegt: „Auf keinen Fall!“
Es kann sich kaum aufrichten. Sein Schwanz ist gekürzt und es hat ein Schild mit einer langen Nummer darauf im Ohr. Schick ist was anderes und ein Glücksschwein scheint das nicht gerade zu sein.
„Warum?“, wundert sich der Affe.
Das Schwein berichtet matt: „Sie wurden geholt. Alle. Wer einmal geht, kommt nie wieder zurück. Gruselig ist das!“
„Was passiert mit ihnen?“, will der Affe wissen.
Das Schwein wirkt sehr bedrückt: „Das weiß ich nicht. Es kommt ja keiner wieder zurück, der uns das erzählen könnte. Gruselig ist das.“
„Und wer bist du, wenn ich fragen darf?“, setzt der Affe fort.
„Ach, wenn ich das nur wüsste. Ich weiß es nicht. Gerade war ich noch ganz klein, da haben sie mich meiner Mama weggenommen. Und danach weiß ich wenig, nur dass ich Schmerzen habe. Schlimme Schmerzen. Ich bin noch so jung, aber meine Beine sind geschwollen. Und heute ist unser Tag, der Tag in unserer Abteilung, aber ich möchte nirgends mehr hin. Jetzt bleibe ich einfach liegen. Einfach hier liegen.“
Der Affe flüstert zum Bären: „Das klingt nach schlimmem Selbstmitleid“, und zum Schwein sagt er: „Ich glaub, dir geht’s wie uns, nur anders. Wunderst du dich nicht, wie wir hierhergekommen sind?“
„Mich wundert nichts mehr“, stammelt das Schwein.
„Und willst du es nicht wissen?“ Der Affe lässt nicht locker.
Jetzt unterdrückt das Schwein seine Tränen: „Ich will nichts mehr wissen.“
Der Affe wird jetzt eifrig: “Affensache! Du hast das Tiersein verloren, genau wie wir.“
Das Schwein sieht ihn mit hängenden Ohren an.
Jetzt ist der Affe wieder in seinem Element und ruft: „Hollala! Dann komm mit uns! Heute bist du ein Glücksschwein!“
Dann fällt es ihm wieder ein. Er hat den Knopf fallen gelassen. Bär und Schwein sehen ihn erwartungsvoll an. Der Affe beginnt in der jetzt leeren Abteilung herumzulaufen und den Boden immer weiter abzusuchen. Er kann nicht mehr verheimlichen, dass er etwas sucht. Nach einer Weile kommt er gebückt zu den anderen zurück. Er traut sich nicht, ihnen in die Augen zu schauen.
„Suchst du etwas?“, fragt das Schwein.
„Hollaka“, grummelt der Affe nur. Er will nicht antworten.
„Suchst du das hier?“, fragt das Schwein und hält den Knopf in seinem Rüssel.
Der Bär schaut den Knopf und dann den Affen an. Und sein Blick ist kein freundlicher.
„Ach, das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Ist ja nichts passiert. Genau den suchen wir“, sagt der Affe und will beiläufig klingen. „Da haben wir ja nochmal Glück gehabt, nicht.“
Der Affe lacht und tätschelt dem Bären die Schulter. Dann spitzt er die Ohren und reckt den Kopf in Richtung Stalltür. Wieder fällt Licht herein. Er flüstert beschwörend: „Ich höre Menschenschritte. Schnell! Umarmt mich! Hollala hollaka! Jetzt geht es los!“
Das Schwein versucht sich aufzurichten, sackt aber zusammen und plumpst auf den Affen. Der Bär umschlingt die beiden, der Affe zählt atemringend: „Zwo, fünf, drei“ und drückt fest auf den Knopf.
Das Schwein fragt noch: „Wo? Wohin?“ und schon sind sie weg.