Ernas wohlig wunderbare Weihnachten

Eine weihnachtliche Gute-Nacht-Geschichte
von Inken KrĂŒger

Eigentlich verbringt Erna das Eichhörnchen Weihnachten schon seit geraumer Zeit alleine. Doch dieses Jahr ist alles anders und sie nimmt unerwartete GĂ€ste auf…

Nach Alter: Ab 4 Jahren

Nach Lesedauer: Ca. 8-10 Minuten

Ernas wohlig wunderbare Weihnachten | Seite 1/3

Erna das Eichhörnchen Ă€chzte und stellte den Korb voller NĂŒsse vor sich ab. Über den Tannenwipfeln begann die Sonne bereits unterzugehen und das dichte Schneetreiben erschwerte ihr die Sicht. 

Es war der Abend des 23. Dezember. Erna war nicht mehr die JĂŒngste, ihre Kinder waren alle lĂ€ngst aus dem Haus und sie war noch nicht einmal in der NĂ€he ihres Kobels. 

Sie seufzte noch einmal, strich sich das feuchte rostbraune Fell aus den Augen schleppte ihren Korb weiter den kleinen HĂŒgel hinauf. 

Endlich konnte sie nach einer Weile ihren Baum in der Ferne erkennen. Mit dem Ziel vor Augen fiel ihr das Laufen gleich leichter. Unter schwerer Anstrengung schaffte sie ihren Korb den Baumstamm hinauf. Am Eingang zu ihrem Kobel schĂŒttelte sie sich die Schneeflocken aus dem Fell und atmete glĂŒcklich die warme Luft im Inneren ein. Erna war stolz auf ihre gemĂŒtliche Behausung. Es war ein großer Kobel, frĂŒher hatte sie hier mit bis zu sechs Kindern gewohnt. Die WĂ€nde waren mit Federn und BlĂ€ttern gedĂ€mmt und der Boden war mit allerlei Moosen und anderen weichen Funden aus dem Wald ausgelegt. Sie schob ihre NĂŒsse in eine Ecke und kuschelte sich dann auf dem weichen Boden ein. 

An Weihnachten wollte sie gar nicht denken. Ganz allein kam einfach nicht dieses weihnachtlich wohlige GefĂŒhl auf. FĂŒr Erna wĂŒrde es ein Tag wie jeder andere werden. Sie war nur froh, ihre VorrĂ€te fĂŒr die nĂ€chsten Tage bei sich zu haben und nicht noch einmal hinaus in den Schnee zu mĂŒssen. Und ohne, dass sie es merkte, war sie eingeschlafen. 

Ein Rumpeln und Kratzen riss Erna aus dem Schlaf. Es war noch immer stockdunkel und sie konnte noch nicht lange geschlafen haben. Verwirrt rieb sie sich die Augen und schaute aus ihrem Kobel. Ein eiskalter Wind wehte ihr um die Nase. Sie kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Etwas weiter rechts sah sie eine kleine Tanne verdÀchtig wackeln und zwei Schatten, die sich daneben bewegten. 

„So eine blöde Idee den Weihnachtsbaum einen Abend vor Weihnachten zu holen“, sagte eine der beiden Gestalten. 

„Stell dich nicht so an“, sagte die Andere, „sĂ€ge lieber ein bisschen schneller.“ 

Die Tanne wackelte noch einmal und fiel dann nahezu lautlos in den Schnee. Die beiden Gestalten schulterten den Baum und gingen in die Dunkelheit davon. Erna saß mit offenem Mund im Eingang ihres Kobels und sah ihnen wĂŒtend nach. Es war bestimmt verboten zu dieser spĂ€ten Stunde irgendwelche BĂ€ume umzusĂ€gen. KopfschĂŒttelnd legte sie sich wieder hin und versuchte wieder einzuschlafen. 

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Gerade war sie in einen unruhigen Schlaf gefallen, da wurde sie schon wieder von einem GerÀusch geweckt. Es klang wie ein Piepsen und leises Gerede. 

Erna erhob sich grummelnd und steckte erneut den Kopf aus dem Eingang. Am Fuß ihres Baumes saßen ein paar kleine MĂ€use, dicht gedrĂ€ngt und tuschelnd versuchten sie alle unter einer hervorstehenden Wurzel Platz zu finden. 

„Geht das wohl auch ein bisschen leiser?“, rief Erna etwas strenger als geplant hinunter. 

Das Getuschel erstarb und die MÀuse schauten hinauf zu ihr. 

„Habt ihr keinen Bau, in dem ihr euch unterhalten könnt?“, fragte Erna, als keine der MĂ€use Anstalten machte zu gehen. Es herrschte kurzes schweigen. 

Dann sagte eine leise Stimme: „Jetzt nicht mehr!“ 

„Was soll das heißen?“, Erna war verwirrt. Vielleicht war sie zu alt fĂŒr nĂ€chtliche Unterhaltungen oder einfach zu mĂŒde. 

„Wir haben da unter der Tanne gewohnt“, sagte die Maus und zeigte auf die Stelle, an der die Gestalten zuvor die Tanne gefĂ€llt hatten. 

„Oh!“, darauf wusste Erna nichts zu sagen. Sein Zuhause zu verlieren war schlimm, ganz zu schweigen davon, sein Zuhause am Tag vor Weihnachten zu verlieren. 

„Tilli“, zischte eine etwas grĂ¶ĂŸere Maus, „hör auf die Dame vollzuquatschen.“ Und an Erna gewandt rief sie: „Es tut uns leid, dass wir sie gestört haben, wird nicht wieder vorkommen. Wir suchen uns einen anderen Baum.“ 

Erna nickte und zog sich wieder in ihren Kobel zurĂŒck. Sie rollte sich abermals gemĂŒtlich ein, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Sie dachte an die MĂ€usefamilie. Sie hatte es hier so warm und gemĂŒtlich und die armen MĂ€uschen mussten die Nacht im Schnee verbringen. Mit einem Mal war sie hellwach. Sie stĂŒrzte, so schnell es ihre Beine zuließen, wieder zum Eingang. Einige Meter entfernt war die MĂ€usefamilie noch zu sehen, wie sie durch den Schnee stapfte. 

„Hey!“, rief Erna. Die MĂ€use blieben stehen und wandten erstaunt die Köpfe, so als erwarteten sie eine erneute Standpauke. 

„Möchtet ihr nicht vielleicht zu mir rauf kommen und die Nacht hier verbringen?“, schrie Erna gegen den Wind an, „ich habe genug Platz fĂŒr uns alle und es ist warm hier drin.“ 

Die MÀuse schienen sich einen Moment zu beraten und dann sah Erna sie wieder auf ihren Baum zu stiefeln. 

Als sie schließlich alle in ihrem Kobel versammelt waren, stellten sich die Mause vor. MĂ€usepapa und MĂ€usemama mit ihren Kindern Tilli und Leni. Sie bedankten sich herzlich und saßen dann etwas unbeholfen in der NĂ€he des Eingangs, als wĂŒrden sie sich fehl am Platze fĂŒhlen. 

„Macht es euch gemĂŒtlich, hat jemand Hunger?“ fragte Erna, als sie dem Blick der MĂ€usekinder zu dem Korb voller NĂŒsse folgte. 

„Unsere VorrĂ€te waren alle in unserem Bau unter der Tanne“, erklĂ€rte der MĂ€usepapa entschuldigend. 

Erna lĂ€chelte. Dann machten sie sich ĂŒber den Inhalt des Korbes her. 

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Als sie schließlich alle gesĂ€ttigt waren, fielen ihnen schon fast die Augen zu. 

„Das war ein viel zu aufregender Tag“, seufzte die MĂ€usemama und deckte die beiden mĂŒden MĂ€usekinder mit weichem Moos zu. 

Auch Erna rollte sich wieder ein. Mit ein paar Leuten mehr wurde es im Kobel noch viel wohliger und wÀrmer. 

Nach einer Weile war nur noch regelmĂ€ĂŸiges Atmen und leises Schnarchen zu hören. 

Gerade wollte Erna wieder in den Schlaf sinken, als jemand sie anstupste. 

„Hey, du, bist du wach?“ 

Erna drehte sich um und schaute in das kleine Gesicht von Tilli. Sie nickte und setzte sich auf. 

„Kannst du nicht schlafen?“ 

Tilli nickte. 

„Wegen eurem Zuhause?“ 

Jetzt schĂŒttelte Tilli den Kopf. 

„Warum dann?“ 

Tilli schluckte und atmete tief ein. „Weil doch morgen Weihnachten ist. Und ich habe Angst, dass der Weihnachtsmann mich nicht finden kann, wenn wir nicht mehr unter der Tanne wohnen.“ 

Erna lĂ€chelte: „Oh da mach dir mal keine Sorgen. Ich bin sicher, der Weihnachtsmann wird dich finden, wo auch immer du bist. Der Weihnachtsmann weiß nĂ€mlich immer wo die kleinen MĂ€use sich befinden.“ 

Tillis Augen strahlten: „Wirklich?“ 

„Ja na sicher, verlass dich drauf. Als meine Kinder noch bei mir gewohnt haben, war er jedes Jahr da. Und jetzt leg dich wieder hin. Wenn du jetzt schlĂ€fst und was Schönes trĂ€umst, dann kommt er ganz bestimmt.“ 

Tilli lÀchelte, nickte und kuschelte sich auf einem besonders weichen Fleckchen Moos ein. 

Erna war höchst zufrieden mit sich und rollte sich abermals ein. Eine so aufregende Nacht vor Weihnachten hatte sie lange nicht erlebt. Und obwohl ihr Vorrat an NĂŒssen nun halb aufgebraucht war und sie die halbe Nacht wach gewesen war, fĂŒhlte sie sich so wohl, wie schon lange nicht mehr. 

Sie lauschte dem Atem der MĂ€use und dem fernen Heulen des Windes draußen. Und kurz bevor der Schlaf sie abermals ĂŒbermannte, meinte sie das Klingeln eines Glöckchens und ein Schnaufen zu hören. Vielleicht das Schnaufen eines Rentieres? Vielleicht trĂ€umte sie das aber auch nur, nach ihrem GesprĂ€ch mit Tilli. Aber hörte sie nicht das nĂ€herkommende Stapfen von Stiefeln im Schnee? 

Der Wind wehte den Duft von NĂŒssen und Beeren in den Kobel. Der Weihnachtsmann wusste wie immer genau, wo die MĂ€uschen und Eichhörnchen zu finden waren. 

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Autorin Inken KrĂŒger

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Rezensionen zu dieser Geschichte

Leserbewertungen

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Rated 5 out of 5
5 von 5 Sternen (basierend auf 1 Bewertung)
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Furchtbar0%

Eine sĂŒĂŸe Weihnachtsgeschichte, deren Inhalt das ganze Jahr ĂŒber AktualitĂ€t hat.

Rated 5 out of 5
14. Januar 2023

Eine sĂŒĂŸe Weihnachtsgeschichte ĂŒber ein Eichhörnchen, die den Gedanken vom Weihnachtsfest aufgreift, der fĂŒr das ganze Jahr gelten sollte – andere herzlich aufnehmen und mit ihnen teilen. Denn am Ende bleibt trotzdem genug fĂŒr das kleine Eichhörnchen Erna ĂŒbrig.

Lisa Aigelsperger
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