Ernas wohlig wunderbare Weihnachten | Seite 1/3
Erna das Eichhörnchen ächzte und stellte den Korb voller Nüsse vor sich ab. Über den Tannenwipfeln begann die Sonne bereits unterzugehen und das dichte Schneetreiben erschwerte ihr die Sicht.
Es war der Abend des 23. Dezember. Erna war nicht mehr die Jüngste, ihre Kinder waren alle längst aus dem Haus und sie war noch nicht einmal in der Nähe ihres Kobels.
Sie seufzte noch einmal, strich sich das feuchte rostbraune Fell aus den Augen schleppte ihren Korb weiter den kleinen Hügel hinauf.
Endlich konnte sie nach einer Weile ihren Baum in der Ferne erkennen. Mit dem Ziel vor Augen fiel ihr das Laufen gleich leichter. Unter schwerer Anstrengung schaffte sie ihren Korb den Baumstamm hinauf. Am Eingang zu ihrem Kobel schüttelte sie sich die Schneeflocken aus dem Fell und atmete glücklich die warme Luft im Inneren ein. Erna war stolz auf ihre gemütliche Behausung. Es war ein großer Kobel, früher hatte sie hier mit bis zu sechs Kindern gewohnt. Die Wände waren mit Federn und Blättern gedämmt und der Boden war mit allerlei Moosen und anderen weichen Funden aus dem Wald ausgelegt. Sie schob ihre Nüsse in eine Ecke und kuschelte sich dann auf dem weichen Boden ein.
An Weihnachten wollte sie gar nicht denken. Ganz allein kam einfach nicht dieses weihnachtlich wohlige Gefühl auf. Für Erna würde es ein Tag wie jeder andere werden. Sie war nur froh, ihre Vorräte für die nächsten Tage bei sich zu haben und nicht noch einmal hinaus in den Schnee zu müssen. Und ohne, dass sie es merkte, war sie eingeschlafen.
Ein Rumpeln und Kratzen riss Erna aus dem Schlaf. Es war noch immer stockdunkel und sie konnte noch nicht lange geschlafen haben. Verwirrt rieb sie sich die Augen und schaute aus ihrem Kobel. Ein eiskalter Wind wehte ihr um die Nase. Sie kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Etwas weiter rechts sah sie eine kleine Tanne verdächtig wackeln und zwei Schatten, die sich daneben bewegten.
„So eine blöde Idee den Weihnachtsbaum einen Abend vor Weihnachten zu holen“, sagte eine der beiden Gestalten.
„Stell dich nicht so an“, sagte die Andere, „säge lieber ein bisschen schneller.“
Die Tanne wackelte noch einmal und fiel dann nahezu lautlos in den Schnee. Die beiden Gestalten schulterten den Baum und gingen in die Dunkelheit davon. Erna saß mit offenem Mund im Eingang ihres Kobels und sah ihnen wütend nach. Es war bestimmt verboten zu dieser späten Stunde irgendwelche Bäume umzusägen. Kopfschüttelnd legte sie sich wieder hin und versuchte wieder einzuschlafen.
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Gerade war sie in einen unruhigen Schlaf gefallen, da wurde sie schon wieder von einem Geräusch geweckt. Es klang wie ein Piepsen und leises Gerede.
Erna erhob sich grummelnd und steckte erneut den Kopf aus dem Eingang. Am Fuß ihres Baumes saßen ein paar kleine Mäuse, dicht gedrängt und tuschelnd versuchten sie alle unter einer hervorstehenden Wurzel Platz zu finden.
„Geht das wohl auch ein bisschen leiser?“, rief Erna etwas strenger als geplant hinunter.
Das Getuschel erstarb und die Mäuse schauten hinauf zu ihr.
„Habt ihr keinen Bau, in dem ihr euch unterhalten könnt?“, fragte Erna, als keine der Mäuse Anstalten machte zu gehen. Es herrschte kurzes schweigen.
Dann sagte eine leise Stimme: „Jetzt nicht mehr!“
„Was soll das heißen?“, Erna war verwirrt. Vielleicht war sie zu alt für nächtliche Unterhaltungen oder einfach zu müde.
„Wir haben da unter der Tanne gewohnt“, sagte die Maus und zeigte auf die Stelle, an der die Gestalten zuvor die Tanne gefällt hatten.
„Oh!“, darauf wusste Erna nichts zu sagen. Sein Zuhause zu verlieren war schlimm, ganz zu schweigen davon, sein Zuhause am Tag vor Weihnachten zu verlieren.
„Tilli“, zischte eine etwas größere Maus, „hör auf die Dame vollzuquatschen.“ Und an Erna gewandt rief sie: „Es tut uns leid, dass wir sie gestört haben, wird nicht wieder vorkommen. Wir suchen uns einen anderen Baum.“
Erna nickte und zog sich wieder in ihren Kobel zurück. Sie rollte sich abermals gemütlich ein, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Sie dachte an die Mäusefamilie. Sie hatte es hier so warm und gemütlich und die armen Mäuschen mussten die Nacht im Schnee verbringen. Mit einem Mal war sie hellwach. Sie stürzte, so schnell es ihre Beine zuließen, wieder zum Eingang. Einige Meter entfernt war die Mäusefamilie noch zu sehen, wie sie durch den Schnee stapfte.
„Hey!“, rief Erna. Die Mäuse blieben stehen und wandten erstaunt die Köpfe, so als erwarteten sie eine erneute Standpauke.
„Möchtet ihr nicht vielleicht zu mir rauf kommen und die Nacht hier verbringen?“, schrie Erna gegen den Wind an, „ich habe genug Platz für uns alle und es ist warm hier drin.“
Die Mäuse schienen sich einen Moment zu beraten und dann sah Erna sie wieder auf ihren Baum zu stiefeln.
Als sie schließlich alle in ihrem Kobel versammelt waren, stellten sich die Mause vor. Mäusepapa und Mäusemama mit ihren Kindern Tilli und Leni. Sie bedankten sich herzlich und saßen dann etwas unbeholfen in der Nähe des Eingangs, als würden sie sich fehl am Platze fühlen.
„Macht es euch gemütlich, hat jemand Hunger?“ fragte Erna, als sie dem Blick der Mäusekinder zu dem Korb voller Nüsse folgte.
„Unsere Vorräte waren alle in unserem Bau unter der Tanne“, erklärte der Mäusepapa entschuldigend.
Erna lächelte. Dann machten sie sich über den Inhalt des Korbes her.
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Als sie schließlich alle gesättigt waren, fielen ihnen schon fast die Augen zu.
„Das war ein viel zu aufregender Tag“, seufzte die Mäusemama und deckte die beiden müden Mäusekinder mit weichem Moos zu.
Auch Erna rollte sich wieder ein. Mit ein paar Leuten mehr wurde es im Kobel noch viel wohliger und wärmer.
Nach einer Weile war nur noch regelmäßiges Atmen und leises Schnarchen zu hören.
Gerade wollte Erna wieder in den Schlaf sinken, als jemand sie anstupste.
„Hey, du, bist du wach?“
Erna drehte sich um und schaute in das kleine Gesicht von Tilli. Sie nickte und setzte sich auf.
„Kannst du nicht schlafen?“
Tilli nickte.
„Wegen eurem Zuhause?“
Jetzt schüttelte Tilli den Kopf.
„Warum dann?“
Tilli schluckte und atmete tief ein. „Weil doch morgen Weihnachten ist. Und ich habe Angst, dass der Weihnachtsmann mich nicht finden kann, wenn wir nicht mehr unter der Tanne wohnen.“
Erna lächelte: „Oh da mach dir mal keine Sorgen. Ich bin sicher, der Weihnachtsmann wird dich finden, wo auch immer du bist. Der Weihnachtsmann weiß nämlich immer wo die kleinen Mäuse sich befinden.“
Tillis Augen strahlten: „Wirklich?“
„Ja na sicher, verlass dich drauf. Als meine Kinder noch bei mir gewohnt haben, war er jedes Jahr da. Und jetzt leg dich wieder hin. Wenn du jetzt schläfst und was Schönes träumst, dann kommt er ganz bestimmt.“
Tilli lächelte, nickte und kuschelte sich auf einem besonders weichen Fleckchen Moos ein.
Erna war höchst zufrieden mit sich und rollte sich abermals ein. Eine so aufregende Nacht vor Weihnachten hatte sie lange nicht erlebt. Und obwohl ihr Vorrat an Nüssen nun halb aufgebraucht war und sie die halbe Nacht wach gewesen war, fühlte sie sich so wohl, wie schon lange nicht mehr.
Sie lauschte dem Atem der Mäuse und dem fernen Heulen des Windes draußen. Und kurz bevor der Schlaf sie abermals übermannte, meinte sie das Klingeln eines Glöckchens und ein Schnaufen zu hören. Vielleicht das Schnaufen eines Rentieres? Vielleicht träumte sie das aber auch nur, nach ihrem Gespräch mit Tilli. Aber hörte sie nicht das näherkommende Stapfen von Stiefeln im Schnee?
Der Wind wehte den Duft von Nüssen und Beeren in den Kobel. Der Weihnachtsmann wusste wie immer genau, wo die Mäuschen und Eichhörnchen zu finden waren.
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Rezensionen zu dieser Geschichte
Leserbewertungen
Eine süße Weihnachtsgeschichte, deren Inhalt das ganze Jahr über Aktualität hat.
Eine süße Weihnachtsgeschichte über ein Eichhörnchen, die den Gedanken vom Weihnachtsfest aufgreift, der für das ganze Jahr gelten sollte – andere herzlich aufnehmen und mit ihnen teilen. Denn am Ende bleibt trotzdem genug für das kleine Eichhörnchen Erna übrig.
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